Das geschenkte Leben
muß.«
»Oh, denken Sie großzügig, Shorty. Fred wird einen guten Schluck sicherlich nicht verachten, und ich bin imstande, allein eine Flasche zu leeren – Sie können dann morgen meine Seele retten. Heute ist ein besonderer Tag – mein erster Tag in Freiheit!«
Hinaus aus der Stadt, auf die Schnellstraße nach Süden und dann sechzig Kilometer in zwanzig Minuten – eine Geschwindigkeit, zu der Finchley sich erst herbeiließ, als Joan Sicherheitsgurte und Kollisionsnetz angebracht hatte. Danach verlangsamte Finchley das Tempo und hielt Ausschau nach einer Ausfahrt.
»Finchley? kann ich dieses lästige Netz und die Gurte jetzt abnehmen?«
»Ja, Miss. Aber ich wäre ruhiger, wenn Sie den Sicherheitsgurt noch angeschnallt ließen, bis wir die Ausfahrt erreichen. Manche von diesen Leuten fahren wie die Säue.«
»Gut.« (Eunice, wer immer diese verdammten Gurte erfunden hat, dachte dabei nicht an Frauen!) (Sie sind auch für einen Mann eingestellt. Joan – natürlich klemmst du dir dabei den Busen. Wenn wir halten, mußt du die untere Hälfte verkürzen und den oberen Verankerungspunkt verändern; so machten sie es für mich, wenn sie mich fuhren. Inzwischen müssen sie einen Mann gefahren haben.) (Wahrscheinlich Jake, als sein eigener Wagen in Reparatur war. Wie kompliziert es ist, eine Frau zu sein! Ich möchte wissen, wieviel ich noch zu lernen habe, bevor ich aufhöre, über meine eigenen Füße zu stolpern.) (Eine ganze Menge, Joan, aber du machst dich gut – und ich bin immer da, um dich aufzufangen.) (Gutes Kind. Sag mal, diese Gegend sieht nicht einladend aus. Ich frage mich, ob Finchley sich verfahren hat.)
Sie fuhren durch endlose Schlafstädte – mauerumgebene Enklaven mit Wohnblöcken, Reihenhäusern und einigen wenigen Einfamilienhäusern. Die Bäume sahen müde aus, und Gras war spärlich, während die Klimaanlage des Wagens noch immer gegen Smog und übelriechende Industrieabgase kämpfte.
Aber dann bog Finchley in eine Landstraße ein, und nach kurzer Zeit hatten sie Farmen zu beiden Seiten. Joan erinnerte sich, daß sie selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb in dieser Gegend hatte – das heißt, er gehört einer Tochtergesellschaft, und sie erinnerte sich, daß sie nicht länger die bestimmende Mehrheit in der Smith-Unternehmensgruppe hatte.
Sie bemerkte, daß die meisten Großfarmen ihre Ländereien mit hohen Stacheldrahtzäunen, elektrisch geladenen Alarmdrähten und vereinzelten Wachttürmen gesichert hatten, aber sie wußte nicht, was angebaut wurde. Johann hatte nie versucht, diesen Bereich seines Industriekonglomerats anders als finanziell zu kontrollieren, er hatte seine Grenzen gekannt. (Eunice, weißt du, was sie hier anbauen?) (Ich glaube, es sind lauter verschiedene Dinge. Ich habe mal gelesen, daß sie die Fruchtfolge wieder eingeführt haben, weil die Weizenerträge von Jahr zu Jahr sanken. Dieser Boden ist so lange und so hart ausgebeutet und chemisch überdüngt worden, daß er jetzt vorsichtig behandelt werden muß.)
(Was passiert, wenn der Boden nichts mehr hergibt?) (Wir verhungern, natürlich. Was dachtest du? Aber vorher werden sie darauf bauen; hier jedenfalls.)
(Eunice, irgendwo muß es aufhören. Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, aber als ich ein Junge war, konnte ich in weniger als einer Stunde zwischen grünen Feldern und nicht abgeholzten Wäldern sein – zu Fuß. Gewiß, das war in Europa und in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Aber man kann nicht sagen, daß ich eben einfach ›Glück hatte‹. Sogar in der Stadt New York konnte ein Junge für fünf Cents zu Farmen und Wäldern hinausfahren, und mit der Untergrundbahn brauchte er dafür nicht so lange wie ich zu Fuß.)
(Das kann ich mir nicht vorstellen, Joan.) (Ich weiß es! Heute braucht man einen schnellen Wagen und möglichst noch einen Berufsfahrer, um das zu tun, was ich damals barfuß tat. Und dabei ist dies nicht mal richtiges Bauernland; dies hier sind Freiluft-Lebensmittelfabriken mit Stechuhren und Buchhaltern und Lagerverwaltern und Betriebskantinen und was weiß ich. Wohin gehen wir von hier?)
Die innere Stimme antwortete nicht. Joan wartete. (Eunice?)
(Ich weiß es nicht Boß!)
(Tut mir leid. Wie solltest du es wissen, wenn niemand es weiß? Aber wir sehen, wie es abwärts geht. Ich habe viel Geld gemacht, und Expansion war viele Jahre lang mein Glaubensbekenntnis; und nicht nur meins. Ich war nie ein Verschwender – selbst diese Riesenvilla
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