Das Geschwärzte Medaillon (Seelenseher-Trilogie) (German Edition)
Stellen. Ein kleiner Teich hatte sich auf meinem Kopfkissen gebildet und wurde stetig weiter aus der Quelle meiner Augen genährt. Ich wollte nicht aufstehen. Ich wollte in diesem Bett versinken und, wie Dornröschen, erst wieder aufwachen, wenn die Welt wieder in Ordnung war. Wenn mein Prinz in strahlender Rüstung angeritten kam und das Monster niedergestreckt war. Warum konnte das Leben nicht ein einfaches Märchen sein? Eine fantastische, lehrreiche Geschichte, deren letzte Worte immer waren: »Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage«. Zu blöd, dass die Realität nie so einfach war. Zumindest war es nicht gerade schwierig, dieses Zimmer zu verdunkeln und einfach wieder einzuschlafen. Alles, was dazu nötig war, damit es so dunkel wurde, dass ich nicht mal meine Hand sehen konnte, war, das Licht auszumachen. Ein Vorteil, wenn man unter der Erde lebte. Die Fenster führten nur in weitere Dunkelheit und wirklich helles Licht konnte man hier wohl kaum finden. Ich drehte mich auf die Seite und starrte die kahle Wand an, die ich eigentlich nicht wirklich sehen konnte. Es tat schon fast weh, so fest presste ich die Augen aufeinander und hoffte, dass ich einfach wieder einschlafen würde. Wenn es möglich wäre, ohne auch nur irgendetwas zu träumen. Dass ich nicht mal eben wieder einschlummerte, war so was von klar, dass ich immer wieder wütend das Kissen in eine nie stimmende Form schlug. Ich stöhnte auf, als ich mich blöderweise genervt auf meinen Rücken warf.
»Au, verdammte ...«
Ich biss mir auf die Lippe, um dem drohenden Schwall an Flüchen Einhalt zu gebieten.
»Wäre ja auch zu einfach gewesen«, grummelte ich missmutig und suchte mal wieder nach einem Lichtschalter. Immerhin gelang es mir, dieses Mal meinen Zeh nicht schmerzhaft gegen die Tür zu stoßen. Es dauerte nicht lange, bis ich auch schon die Tür zu unserem Apartment unter der Erde laut zuzog.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Ich zuckte zusammen, als Carmen plötzlich um die Ecke bog und mich, wie stets, unheimlich freundlich anlächelte.
»Äh, nein. Ich gehe nur ein wenig spazieren ... oder so.«
»Mister Leander ist in seinem Garten, falls Sie zu ihm möchten.«
»Nein!«, sagte ich etwas zu überstürzt und heimste mir so einen merkwürdigen Blick von Carmen ein.
»Aber danke, Carmen.«
Ich lief schneller und versuchte dabei nicht völlig dämlich auszusehen. Ich wusste sehr genau, in welche Richtung mich meine Füße leiten wollten. Ich ging genau in die entgegengesetzte. Zumindest versuchte ich es. Dieses Gebäude kam mir immer noch vor wie das reinste Labyrinth und ich war mir nicht einmal sicher, ob ich den Garten oder die Kerker finden würde. Nicht, dass ich auch nur annähernd das Verlangen verspürte, in diesen unnatürlichen Garten zurückzugehen.
Die Wände sahen überall gleich aus. Fast würde ich erwarten, an einer Ecke ein Erdwesen zu treffen, das sich mit dem Verkauf des Grundrisses des Gebäudes bereicherte. Ich blieb überrascht stehen, als ich die Tür zu der riesigen, leeren Halle aufstieß. Für einen Moment fürchtete ich, eine sitzende Gestalt auf dem einzigen Möbelstück zu sehen. Meine Muskeln, die sich panisch zusammengezogen hatten, entspannten sich ein wenig, als ich erkannte, dass der bedrohliche Thron zum Glück leer war. Leander musste noch in seinem Garten sein. Irgendwie erwartete ich, dass er überall war. Dass ich geradezu verdammt dazu war, ihm in die Arme zu laufen. Ich hoffte inständig, dass mir das erspart blieb. Mich zog es hinaus. Auch wenn das hier hieß, hinaus in die Unterwelt eines Verrückten. Ich sehnte mich danach, frische Luft einzuatmen, wenn ich eine Tür aufstieß oder auch nur die Wärme eines einzigen Sonnenstrahls auf meinem Gesicht zu spüren. Nicht gerade das, was mir entgegenkam, als ich endlich die Halle hinter mir ließ. Die Luft war einfach nur trocken und stickig. An die Sonne wollte ich gar nicht erst denken. Ganz zu schweigen von den ewig vielen Treppen, die mich von dieser kuriosen Stadt trennten. Mir wurde jetzt schon übel, wenn ich daran dachte, dass ich die ganzen Stufen wieder würde hinaufkriechen müssen. Aber ich wollte weg von dem Labyrinth hinter mir. Weg von dem Garten. Weg von Leander, der dort irgendwo lauerte. Auch wenn die riesige Statue, die in der Mitte der Stadt thronte, alles überschattete und jeden daran hinderte zu vergessen, wer der Herrscher in dieser Welt war. Ich erschauderte kurz, als mein Blick ungewollt den perfekten steinernen
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