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Das geschwaerzte Medaillon

Das geschwaerzte Medaillon

Titel: Das geschwaerzte Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Jane Arnold
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ich, da er mich so lange anstarrte, bis ich ihm eine Antwort gab. Er stand immer noch unangenehm nahe vor mir und schien die Luft um uns herum unnötig tief einzuatmen. Jedes Mal, wenn sein heißer Atem auf meine Haut traf, zuckte mein Körper unter einer Welle von Schmerzen zusammen. Man sollte meinen, dass nach so vielen Verletzungen und ja, sogar Berührungen mit Seelengeistern, ich kaum noch in der Lage sein sollte, Schmerzen überhaupt zu spüren, so sehr war ich an sie gewöhnt. Ich spürte seine grünen Augen auf mir. Wie sie jeden Zentimeter musterten und sich dabei in meine Seele zu bohren schienen. Seine Finger fuhren plötzlich über eine Narbe an meinem Arm. Es fühlte sich an, als würde sie erneut aufbrechen, ganz so wie die Narbe auf meiner Handfläche. Ich war überrascht zu sehen, dass sie es nicht tat.
    »Ich könnte dich von ihnen befreien. Dir deine vollkommene Schönheit zurückgeben.«
    Ich starrte ihn an. Seine Augen waren auf die roten Striemen gerichtet, die nicht von meinem Oberteil verdeckt wurden.
    »Es wäre ein Leichtes, nach dem ich all das hier erschaffen habe.«
    Er wies mit einer auslandenden Geste auf die pflanzlichen Wunder hin, die uns umgaben. Mir stockte der Atem. Es waren keine natürlichen Pflanzen. Ganz und gar nicht.
    »Aufregend, nicht wahr?«, er flüsterte es in mein Ohr, wobei seine Stimme einen Klang annahm, der jeder Frau den Kopf verdreht hätte. Jeder Frau außer mir. Mir jagte es einen Schauer durch den Körper und erschütterte mich bis in die Seele. Er war zu perfekt, als dass ich auf seine Maske hereingefallen wäre.
    »Du hast sie erschaffen?«, ich keuchte es fassungslos. Der Schmerz surrte noch in mir nach und ließ meine Stimme unkontrolliert zittern. Er lächelte zufrieden. Wobei das nur durch seinen Mund erkennbar wurde. Nichts erreichte jemals seine Augen. Sie waren der einzige Teil, den er nicht beeinflussen konnte. Sie zeigten mir nur zu deutlich, wer er war. Sie zeigten mir seine Seele. Dafür brauchte ich nicht einmal die Seelensicht. Sie war so deutlich zu sehen ...
    »Jede Einzelne. Es ist einfach mit Pflanzen, aber für Menschen fehlt mir etwas Entscheidendes. Ich denke, du weißt, was es ist.«
    Wieder lächelte er und glaubte wohl, es würde mich in Verlegenheit versetzen. Hatte er mir wirklich gerade offenbart, dass er versucht hatte, Menschen zu erschaffen? Zu schöpfen, wie die Bibel es von Gott berichtet hatte? Hatte er wirklich so sehr den Verstand verloren, dass er glaubte, er könne Gott spielen?
    »Nicht möglich«, stotterte ich. Er konnte wohl kaum so mächtig sein. Das war nicht möglich. Keira konnte auch nicht einfach mal eben eine Pflanze aus dem Nichts erschaffen. Das ging nicht. Das war nicht möglich. Meine Gedanken wurden zu schnell, als dass ich ihnen noch hätte folgen können. Sie wurden zu einem einzigen Ausdruck des Entsetzens. Er lächelte zufrieden.
    »Für mich ist fast nichts unmöglich. Willst du es sehen?«
    Er wartete gar nicht erst auf eine Antwort. Er nahm meine gesunde Hand und legte seine darauf. Ich zuckte zusammen, noch bevor ich das Brennen wirklich spürte. Was löste es nur immer wieder aus? Das Brennen wurde zu einem merkwürdigen Kitzeln und ich spürte, wie meine Hand immer schwerer wurde. Seine hingegen fing ganz langsam an, sich von meiner zu heben. Zwischen ihnen war ein zierlicher grüner Stiel, an dem gerade winzige Blätter entstanden, die sich ganz allmählich ausrollten. Ich beobachtete dieses kleine Wunder und war wie gebannt. Der Stiel wurde immer kräftiger, bis er so dick war wie mein kleiner Finger. Erst zögernd und dann mit einer beeindruckenden Kraft brachen scharlachrote Blütenblätter hervor und breiteten sich weit auf. Ihre Farbe wurde, wie bei den mitternachtsblauen Blumen, nach innen immer dunkler. Leander nahm seine Hand nun endgültig weg und ich starrte auf die Pflanze, die einfach auf meiner Handfläche entstanden war.
    »Oculi Alverras«, sagte er leise und drückte mein Kinn nach oben, sodass ich ihn ansehen musste. In seinen Augen flackerte die Besessenheit. Natürlich hatte ich meinen Nachnamen gehört, ich war mir nur nicht sicher, was das erste Wort bedeutete.
    »Augen Alverras. So wie ich sie am liebsten sehe.«
    Noch bevor ich mich bewegen konnte, lagen seine Lippen auf meinen. Ich erstarrte, aber dieses Mal bewusst. Ich regte mich nicht. Wahrscheinlich konnte ich es nicht einmal. Ich wartete und betete nur, dass dieses Brennen nachlassen würde, das sich von meinen Lippen

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