Das geschwaerzte Medaillon
eine weiße Bluse waren das Ergebnis. Ich war mehr als froh, dass ich etwas derart Unverfängliches gefunden hatte. Mehr als die Hälfte der Oberteile waren tief ausgeschnitten oder hatte irgendwelche viel zu süßen Verzierungen. Ein Klopfen ließ mich stärker als normal zusammenzucken. Dabei schlug ich mir die Hand an der Schranktür an und zog scharf die Luft ein, als ein stechender Schmerz in der frischen Wunde explodierte. Typisch verfluchte ich mich in Gedanken.
»Miss Alverra, Herr Leander erwartete Sie. Ich werde Sie zu ihm bringen.«
Carmen verbeugte sich, wie stets, ergeben und ich fühlte mich dabei, wie immer, völlig bescheuert. Die Zeit der Sklaven war meines Erachtens lange vorbei, aber das galt wohl nur für die wirkliche Welt. Die Welt, in der die Sonne das Licht erzeugte und nicht tausende Fackeln. Ich sah über meine Schulter zurück zu Keira. Sie konnte ihr Gesicht nicht schnell genug unter Kontrolle bekommen, um ihre Sorge zu tarnen. Sie fürchtete sich genauso wie ich vor den Dingen, die geschehen könnten. Es war in diesen fünfzehn Minuten nicht das erste Mal, dass ich mich fragte, was er wollte.
Ich lief hinter Carmen durch den polierten Flur und erstarrte an der Stelle, wo sich heute Nacht noch mein Blut über den Boden verteilt hatte.
»Äh, Carmen«, setzte ich unsicher an. »Was will er von mir?«
Ich hatte ehrlich versucht, seinen Namen auszusprechen, aber es gelang mir nicht. Als hätte sich bereits ein Selbstschutz tief in meinem Inneren entwickelt, und sich nun auch nicht mehr abstellen ließ.
»Sie meinen Herr Leander?«
Ich zuckte zusammen und nickte nur. Lächelnd sah sie mich an, als würde sie meine Reaktion überhaupt nicht bemerken oder verstehen, was sie bedeutete.
»Er will Sie sehen. Immerhin sind Sie seine Verlobte.«
Ich biss mir so heftig auf die Lippe, dass die Blutkruste wieder aufbrach. Verlobte. Das Wort hallte in meinen Gedanken wider und hielt mich in einem schaurigen Klammergriff. Bis jetzt hatte ich nie etwas darauf geantwortet und bis jetzt war mir immer noch nichts eingefallen, was ich darauf erwidern sollte.
»Ach so«, entriss ich meiner Kehle, weil ich nicht unhöflich sein wollte. Ab da verstummte ich. Ich achtete nicht mehr darauf, wohin Carmen mich führte. Dafür war ich viel zu sehr in meine Gedanken vertieft. Keine besonders angenehmen. Eher schreckliche, fantasievolle Ausmalungen von allem, was mich erwarten könnte. Immer wieder zuckte ich zusammen, um meine eigenen Gedanken zu verscheuchen. Wenn sie nicht bei ihm waren, dann landeten sie bei Craig und das war nicht weniger schmerzhaft oder schrecklich. Ich hatte mir wirklich ein tolles Gefängnis geschaffen. Wieder einmal fragte ich mich, wie es so hatte enden können. Wie hatte ich es geschafft, mich in diese Lage zu bringen. Meine Gedanken kreisten immer noch umeinander, als Carmen plötzlich vor einer riesigen Doppeltür stehen blieb. Fast wäre ich gegen sie gelaufen.
Die Tür war überdimensional groß. Ein Abbild einer Paradiesszene, die mir merkwürdig bekannt vorkam, nahm den gesamten Platz ein. Bäume und Sträucher rankten sich im Hintergrund umeinander. Tiere spähten aus dem Gestrüpp hervor und wurden teilweise von den Schatten der Bäume verschlungen. Es hatte etwas Bedrohliches an sich, wie die Körper einfach im Nichts verschwanden. Es wirkte nicht natürlich. Vögel saßen auf den Zweigen und starrten den Betrachter aus unbeweglichen Augen an. Ich glaubte eine Katze an den Füßen der einen Person zu erkennen, aber ich war mir alles andere als sicher. Mein Blick wanderte nur langsam zu der männlichen Abbildung. Natürlich hatte er sich als Adam abbilden lassen und als meine Augen schließlich zu Eva kamen, erschauderte ich. Ich sah in mein eigenes Gesicht. Ich lächelte ihn verführerisch an, wobei mein langes, lockiges Haar um meinen Kopf wehte. Ich hielt keinen Apfel in der Hand und eine Schlange war auch nirgends zu sehen, aber es war dennoch mehr als deutlich, dass es auf Adam und Eva anspielte. Ich wollte meinen Blick nicht an meiner Darstellung heruntergleiten lassen. Ich wollte mich nicht als eine Aktdarstellung von Eva sehen. Aber genau das war es. Schnell wanderten meine Augen wieder zu meinem Gesicht. Ich fühlte mich zu beschämt, zu entblößt, auf einer riesigen Tür nackt gezeigt zu sein. Auch wenn es nicht wirklich meinen Körper zeigte. Dafür fehlten die tausend Narben. Aber etwas anderes zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Eva, die ich war, hielt das
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