Das geschwaerzte Medaillon
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Liebe Janlan,
es tut mir leid, dass du erst jetzt von mir hörst. Es gibt viel zu tun, seit du den Zirkel ausgeschaltet hast und du sollst wissen, dass ich sehr stolz auf dich bin. Ich habe nie daran gezweifelt, dass du es schaffen kannst. Allerdings bedeutet Oberhaupt des Ordens von Alverra zu sein mehr als der letzte gewonnene Kampf gegen den Zirkel. Der Orden dient dem Schutz Alaniens. Der Zirkel war immer die größte Bedrohung, aber nun, da dies nicht mehr der Fall ist, bin ich über etwas gestolpert, dass womöglich die Aufmerksamkeit des Ordens erfordert. Du bist das Oberhaupt und somit ist es deine Aufgabe, dem nachzugehen und solltest du auf etwas stoßen, so musst du die Bewohner von Alanien davor beschützen. Sicher sind dir schon die vermehrten Vermisstenfälle aufgefallen. Das Ganze ist schon einmal geschehen, vor ungefähr fünfunddreißig Jahren. Auch damals sind Kinder und Jugendliche verschwunden. Nach fünf Jahren hat es aufgehört, aber die Polizei hat die Opfer nie gefunden. Damals waren mehr als hundert Personen verschwunden. Ich fürchte, es fängt von neuem an. Als Oberhaupt musst du dafür sorgen, dass die Vergangenheit sich nicht wiederholt.
Paul Ericson
Ungläubig drehte ich den Brief immer wieder um und suchte nach dem Rest des Briefes. Da musste noch etwas folgen. Das konnte es unmöglich gewesen sein. Kein: Ich bin froh, dass du noch lebst. Keine Frage, wie es mir jetzt geht oder wie mein Leben seit dem gelaufen ist. Nichts was darauf hinwies, dass er mein Großvater war. Ich drehte den Brief erneut und hielt ihn ins Licht. Ich schöpfte jede Möglichkeit nach einer versteckten Botschaft aus. Da war nichts. Nichts. Rein gar nichts. Das war der erste Brief meines Großvaters, nach neun Jahren, und der erste, seit er mich in den tödlichen Kampf gegen den Zirkel geschickt hatte und nun ... Jetzt, wo alles gut sein sollte, teilte er mir in einem Brief mit, dass da womöglich etwas sein könnte. Eine Vermutung, wegen der ich bei meinem Leben erneut auf die Pause-Taste drücken sollte, um ihr nachzugehen. Denn das wäre ja meine Aufgabe als Oberhaupt des Ordens. Eine vertraute Wut brodelte langsam in mir hoch. Ich hatte nie darum gebeten, das Oberhaupt zu werden. Ich wollte nie verantwortlich für die Sicherheit eines ganzen Landes sein. Ich wollte auch nie das Leben meiner besten Freundin und das meines Freundes oder mein eigenes aufs Spiel setzen. Ich hatte um all das nicht gebeten und nun legte mein einziger lebender Verwandter diese Verantwortung wieder auf mich. Erneut ballte sich meine Hand zu einer Faust. Mein Herz raste und ich spürte die vertraute Übelkeit, die mich jedes Mal überfiel, wenn ich mich aufregte. Das musste ein Scherz sein. Das war nicht wirklich ein Brief meines Großvaters. Ich versuchte mir dasselbe einzureden wie damals, als ich die Truhe fand. Damals war es kein Scherz gewesen. Ich glättete das zerknirschte Papier und faltete es dann auf eine winzige Größe zusammen und stecke es in meine Gesäßtasche. Ich hatte inzwischen die Haustür erreicht und atmete tief ein, um mich zu beruhigen und die lauernde Übelkeit zu unterdrücken. Ich atmete ein letztes Mal ein und legte dann die Hand auf die kühle Türklinke.
»Wieder da?«, erklang Craigs Stimme aus der Küche.
»War nur am Briefkasten«, antwortete ich, als ich mich ihm gegenüber an den Esstisch setzte. Er hatte gerade eine Schüssel Kelloggs gegessen und schob nun die leere Schüssel von sich weg.
»Hast du heute schon die Nachrichten gesehen?«, ich sah ihn fragend an. Vor meinen Augen erschien wieder das lächelnde Gesicht des kleinen Benjamins. Craig schüttelte den Kopf.
»Die Nachrichten waren gerade vorbei, als ich den Fernseher eingeschaltet habe. Wieso?«
Ich gab ihm die Zeitung und wartete, bis er den Artikel gelesen hatte. Ich beobachtete, wie auch er zunächst lächelte, als er das Foto sah. Das änderte sich mit dem Sehen der Schlagzeile. Langsam faltet er die Zeitung wieder zusammen und legte sie neben die leere Schüssel.
»Die Eltern tun mir leid. Die Polizei sollte doch langsam den Entführern auf die Spur kommen. Ich meine, dreiundzwanzig! Bei einem dieser Fälle muss derjenige, oder diejenigen, einen Fehler begangen haben.«
Er hatte Recht. Man sollte wirklich annehmen, dass die Polizei eine Spur hatte. Sofern es normale Entführungen waren, die die Polizei auch wirklich lösen konnte. Nichts Übernatürliches, das in meinen Aufgabenbereich fallen würde. Zumindest,
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