Das geschwaerzte Medaillon
den Rest deines Hauses durchsucht haben. Wir müssen uns etwas anderes überlegen. Von dem Haus des Ordens in Solem ist ja leider auch nicht mehr viel übrig.«
Der vertraute Schmerz an die Erinnerung lag für einen kurzen Moment in Keiras Stimme. Ich trug die Narben der Folter immer noch gut sichtbar mit mir herum. Ihre waren für das Auge verborgen, aber nicht weniger schmerzhaft oder vergänglich. Sie trug sie alle auf ihrer Seele und manchmal glaubte ich Stellen an ihrer Seelenenergie zu sehen, die ein wenig verzerrt aussahen, so als wäre dort die Seele anstatt der Haut neu zusammengewachsen. Die Erinnerungen beschwerten noch weiter meine Gedanken und schlichen sich in meine Stimme.
»Was dann?«, fragte ich leise, verzweifelt flehend. Ich fühlte mich machtlos und schuldbeladen. Sicher, ich wusste, dass Amalen nur eine Ausflucht von mir war. Ein winziger Strohhalm, an dem ich mich hatte festhalten wollen, sodass ich vielleicht doch noch die Kontrolle über die Ereignisse wiedererlangen würde. Ich hatte die Welt zusammen mit Keira schon einmal gerettet. Jetzt schien es mir, als wäre ich dazu ein zweites Mal nicht imstande. Zudem hatte ich etwas in mir, das unberechenbar schien und sehr gefährlich. Ich fürchtete mich vor diesem Teil meines Selbst.
»Keira, was dann? Was sollen wir tun? Er hat Craig. Ich muss doch irgendetwas tun. Irgendetwas -«
Ich merkte, wie ich mich wieder in etwas hineinsteigerte. Mein Herz fing schneller an zu schlagen und vor meinen Augen erschienen die Bilder meines Traumes.
»Wenn ich nichts tu, dann töte ich ihn! Craig. Ich töte Craig! Ich kann ihn nicht töten. Ich wollte es nicht! Ich wusste es nicht! Ich ... ich muss was tun. Ich muss zu ihm! Ich kann ihn finden. Ich muss ihn finden. Ich will ihn nicht töten, aber ich tu es. Ich muss ... ich muss ...Ich darf nicht. Sie ... ich werde ihn töten ...«
Meine Stimme fing an sich zu überschlagen. Mein Puls raste und ich merkte, wie mein Sichtfeld zu verschwimmen begann. Keira sprang aus ihrem Sessel und eilte in die Küche. Als sie zurückkam, war ich schon in meiner Panikattacke verloren.
»Hier, trinke etwas.«
Sie reichte mir ein Glas Wasser. Ich nahm es abwesend entgegen. Meine Gedanken rasten wieder in meinem Kopf und schienen sich gegenseitig zu jagen.
»Trink«, forderte sie mich erneut auf. Ich leerte das Glas mit großen Schlucken und stellte es weg.
»Wohin, Keira? Was soll ich tun? Ich kann ihm das Amulett doch nicht einfach geben ...«
Eine merkwürdige Müdigkeit überkam mich, noch bevor ich meinen Gedanken zu Ende gesprochen hatte. Die Albträume hatten mich wieder und quälten mich die endlos wirkende Nacht hindurch. Als die Erlösung des Erwachens kam, traten andere Qualen an die Stelle der Albträume. Mein Kopf pochte und fühlte sich viel zu schwer an. Stöhnend stieg ich aus dem Bett und schlurfte zu meiner Tasche. Ich hatte irgendwo Kopfschmerztabletten. Als ich die Tabletten endlich in dem Durcheinander fand, erschien mir der Weg bis in die Küche wie eine Marathonstrecke. Die Haut unter dem Verband an meiner Hand juckte, so wie eigentlich auch jede andere Verletzung. Das oder sie pochten im selben Rhythmus meines Kopfes. Jeder Schritt war eine Herausforderung und führte dazu, dass ich mein Gesicht unter Schmerzen verzog. Und irgendwie tat mir auch mein Fuß verflucht weh. Ich erinnerte mich nicht, ihn verletzt zu haben, aber so etwas bekam ich auch hin, ohne davon Notiz zu nehmen. Die Suite lag im gedämpften warmen Licht des Sonnenaufgangs, aber auch das erschien mir viel zu hell. Es schmerzte in meinen Augen. Unwillkürlich stieg eine Übelkeit in mir auf. Ich verharrte auf der Stelle und hoffte, dass es vorbei gehen würde, aber das tat es nicht. Mein Magen verkrampfte sich und ich wusste mir nicht anders zu helfen, als zum Badezimmer zu rennen. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn und mein Körper zitterte noch von der Anstrengung. Ich stützte mich am Türrahmen ab.
»Keira?«, krächzte ich. Ich rief noch einmal nach ihr und bekam wieder keine Antwort.
»Wo ist sie«, murmelte ich unverständlich und legte mich stöhnend auf das Sofa. Das Bett war viel zu weit entfernt. Mein eigentliches Vorhaben, eine Kopfschmerztablette zu nehmen, war sinnlos geworden. Die Übelkeit würde verhindern, dass sie wirkte. Erneut sank ich in einen unruhigen Schlaf. Ich hatte es nicht einmal mehr geschafft, mich mit der Wolldecke zuzudecken, die auf der Lehne lag.
Flüsternde Stimmen retteten mich aus
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