Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
nach seiner Pistole.
»Wenn du sie lebend wiedersehen willst, wirst du mir hinterhergehen müssen.«
Alex betrachtete den Mann über die beiden äußeren Markierungen und die Mittelschiene des Visiers, während er unverrückbar auf dessen Nasenrücken zielte, und zögerte.
Doch nur für einen Augenblick.
Dann drückte er ab. In der Enge der felsigen Passage war der Schuss ohrenbetäubend laut.
»Mit Mördern verhandle ich nicht«, murmelte Alex leise bei sich, trat über den Leichnam hinweg und begab sich tiefer hinein in den steinigen, zerklüfteten Irrgarten.
»Noch siebzehn übrig«, zählte er laut, während er der offenbar immer tiefer in das Berginnere führenden Höhle mit hastigen Schritten folgte. Immer wieder musste er mithilfe seiner Taschenlampe prüfen, ob die Seitengänge, auf die er stieß, frei waren, er selbst jedoch blieb auf dem scheinbar mitten durch den Berg führenden Hauptspalt. Mancherorts hatten sich im Laufe der Jahrtausende gewaltige Granitplatten verschoben, waren mitunter sogar umgekippt und herabgestürzt, so dass es an vielen Stellen nur unter Mühen möglich war, sich hindurchzuzwängen. Andernorts war die Felsendecke eingebrochen, so dass er über Geröllberge hinwegkrabbeln musste.
Er wusste nicht, wie lange er gelaufen war, bis er erkannte, dass das Licht, das er weiter vorne sah, natürlichen Ursprungs war. Mit dem Weitergehen wurde das Licht beständig heller.
Und dann glaubte er etwas zu erkennen. Er beschleunigte seine Schritte.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
Es war Jax.
58
Er konnte sehen, dass sie inmitten einer ausgedehnten Fläche aus weißem Sand stand. Einst schien dieser Ort eine Art höhlenähnlicher Kuppelbau gewesen zu sein. Offenbar war das Zentrum des Kuppeldachs jedoch dem Verwitterungsprozess zum Opfer gefallen und mit der Zeit teilweise eingestürzt, so dass ein zum Himmel offener Raum zurückgeblieben war. Da und dort lagen Gesteinsbrocken über den gesamten Raum verstreut, möglicherweise Teile des einstigen Kuppeldachs.
Jax, die in der Mitte der Sandfläche unter dieser Öffnung stand, sah ihn kommen. Es war zu erkennen, dass man ihr die Hände auf den Rücken gefesselt hatte. Ihr Gesicht war tränenverschmiert, und aus ihrem Mundwinkel lief ein dünnes Blutrinnsal.
Die Waffe mit beiden Händen schussbereit vor dem Körper haltend tastete sich Alex ganz langsam auf die offene Fläche vor. Als er aus der Öffnung in der Felswand heraustrat, kamen Hunderte von Männern in Sicht, die schweigend nahe der äußeren Felswand oder in anderen, in den Raum mündenden Vertiefungen und Spalten standen. Alle beobachteten ihn. Keiner machte Anstalten, irgendetwas zu tun.
Mit den Kleidungsstücken, die sie trugen, wären sie nirgendwo groß aufgefallen – meist waren es Jeans und übergroße, beschriftete
T-Shirts. Einige waren mit ausgebeulten, knielangen Shorts und Sandalen bekleidet, wie man sie üblicherweise in einer Einkaufspassage oder beim Pizzaholen zu sehen bekam. Unter einigen T-Shirts meinte Alex Gegenstände zu erkennen, die wie Messer aussahen. Er war sich sicher, dass sie alle irgendwo am Körper verdeckte Waffen trugen.
Wegen ihrer schäbigen Frisuren, der zotteligen Bärte oder Bartstoppeln wirkte keiner sonderlich gepflegt. Sie alle hatten stechende Augen und einen finsteren Gesichtsausdruck. Sie sahen aus wie Strolche, ein mittlerweile ziemlich gebräuchliches, von vielen Männern kultiviertes Erscheinungsbild, das sich allgemeiner Akzeptanz erfreute.
Auf der Straße hätte sie kaum jemand eines zweiten Blicks gewürdigt. Mit einem Rucksack auf dem Rücken hätte jeder Einzelne von ihnen unbeachtet durch jeden Flughafen spazieren können. Doch hier, versammelt auf einem entlegenen Berggipfel mitten in der Wildnis, boten sie einen überaus bizarren Anblick, so als wären sie alle von der Zuschauertribüne eines Baseballspiels hierhergekarrt worden.
Alex wusste, es waren Chamäleons, Mörder, fest entschlossen, sich ihrer Umgebung anzupassen und sich dadurch unsichtbar zu machen – bis sie zuschlugen. Das reichte für sich genommen bereits, um sie beängstigend erscheinen zu lassen. Inmitten unschuldiger Passanten würden sie nicht auffallen.
Ein Blick zurück ergab, dass der Weg, auf dem er hergekommen war, mittlerweile von Dutzenden weiterer Männer ihres Schlages versperrt worden war.
»Alex«, sagte Jax mit bebender Stimme, »gib ihnen deine Pistole.«
»Nein.«
»Bitte …«
»Ich denke nicht daran …«
»Du kannst
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