Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
schmeißt die Jax auf den Boden und wirft einen Ball in die Luft. Anschließend versucht man, die Jax aufzuheben und den Ball, nachdem er einmal aufgesprungen ist, mit derselben Hand wieder aufzufangen. Es ist ein einfaches Kinderspiel, aber wenn man es mit einer immer größeren Anzahl
von Jax probiert, erfordert es ein gutes Auge und flinke Hände. Die Leute waren überrascht, wie geschickt ich mit meinen Händen war, also haben mich meine Eltern eben Jax genannt.«
Stirnrunzelnd versuchte Alex sich mit der Geschichte anzufreunden. »Aber als Sie geboren wurden, konnten Sie doch noch gar nicht spielen. Sie hätten doch mindestens … fünf oder zehn Jahre alt sein müssen, um ein solches Spiel spielen zu können. Wie konnten Ihre Eltern schon bei Ihrer Geburt gewusst haben, dass Sie so geschickt mit Ihren Händen sein würden?«
Sie hielt den Blick im Gehen starr geradeaus gerichtet. »Durch die Prophezeiung.«
Alex blinzelte. »Wie bitte?«
»Ein Prophet hatte ihnen vor meiner Geburt von mir erzählt. Er sagte, alle würden erstaunt sein, wie flink ich mit meinen Händen sei, und dass man dies zuallererst anhand meiner natürlichen Begabung beim Jax erkennen würde. Und so haben sie mir diesen Namen gegeben.«
Alex fragte sich, welch seltsamer Religion ihre Eltern angehören mochten, dass sie so viel auf die Worte eines Propheten gaben. Er wollte gerade eine entsprechende Bemerkung machen, als ein wachsendes Gefühl der Vorsicht ihn ermahnte, es langsam anzugehen und sie ihre Geschichte selbst erzählen zu lassen. Also stellte er ihr nur unverfängliche Fragen.
»Aber Jack, wie in Jacks, ist ein Jungenname.«
»Der Jungenname wird mit ›S‹ geschrieben, richtig, meiner dagegen mit einem ›X‹. JAX stammt von dem gleichnamigen Spiel ab, nicht von dem Jungennamen.«
»Aber wird das Spiel nicht genauso buchstabiert, JACKS?«
»Nicht dort, wo ich herkomme.«
»Und wo ist das?«
»Das kennst du bestimmt nicht«, antwortete sie nach kurzem Zögern. »Es ist sehr weit von hier.«
Aus irgendeinem Grund war sie seiner Frage ausgewichen, er ließ es ihr jedoch erst einmal durchgehen.
Während sie durch die Hallen schlenderten, beobachtete er sie aus den Augenwinkeln. Er beobachtete oft Menschen, studierte ihre Körperhaltung, ihre natürliche Art, sich zu bewegen, die Entsprechung von innerer und äußerer Haltung, um so seine Darstellung des menschlichen Körpers zu verfeinern.
Die meisten Leute legten in der Öffentlichkeit eine lässige oder geschäftsmäßige Haltung an den Tag. Oft waren sie ganz auf ihr Ziel konzentriert, ohne sich der Dinge unterwegs bewusst zu sein, ein Tunnelblick, der sich auf ihre Bewegungen auswirkte. Meist waren sie so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie weder die Personen in ihrer Umgebung noch eine mögliche Gefahr wahrnahmen, und das spiegelte sich in ihrer Körpersprache wider. Eine Zwanglosigkeit, die mitunter eine gefährliche Aufmerksamkeit auf sich zog. Genau darauf hatten es raubgierige Menschen abgesehen.
Die meisten Leute machten sich gar nicht klar, dass ihnen etwas Schlimmes zustoßen konnte, dass es Menschen gab, die ihnen schaden wollten. Sie waren nie in eine solche Situation geraten und hielten sie daher für unwahrscheinlich. Sie waren aus freien Stücken blind.
Jax bewegte sich anders. Ihre Körperspannung unterschied sich von der geschäftsmäßigen Angespanntheit. Sie hatte etwas von einer unter ständiger Spannung stehenden Feder, dennoch waren ihre Bewegungen von Eleganz und Selbstsicherheit geprägt – und von einem Bewusstsein für ihre Umgebung. Er fühlte sich ein wenig an die Bewegungen eines Raubtieres erinnert. Dank winziger Veränderungen ihrer Körperhaltung verströmte
sie eine Aura kühler Gelassenheit, die fast schon etwas Beängstigendes hatte. Ganz sicher war sie keine Frau, der sich die meisten Männer bedenkenlos nähern würden.
Tatsächlich war es genau diese Bewusstheit, die ihn am meisten fesselte. Sie beobachtete die durch die Passage schlendernden Menschen – jeden einzelnen von ihnen -, ohne sie jemals direkt anzusehen. Sie behielt sie aus den Augenwinkeln im Blick und schätzte sie ein, so als wollte sie ihre Entfernung einschätzen oder prüfen, ob sie möglicherweise eine Gefahr darstellten.
»Halten Sie nach jemand Bestimmtem Ausschau?«, erkundigte sich Alex.
Gedankenversunken antwortete sie: »Ja.«
»Nach wem denn?«
»Nach Menschen einer anderen Art.«
Im nächsten Augenblick zerrte Alex sie um eine Ecke
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