Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
zurückgebe. Wörtlich sagte er: ›Geben Sie sie Alexander Rahl zurück. Ein Präsent von mir!‹«
Alex stieß einen schweren Seufzer aus. »Lassen Sie mich einen Blick auf die Bilder werfen.«
Mr. Martin wies auf die Gemälde, die in einer Ecke des Bürobereichs an der Wand lehnten. Sie standen mit der Vorderseite aneinander und waren nicht mehr gerahmt.
Als Alex das erste zur Hand nahm und mit beiden Händen vor sich hielt, verschlug es ihm die Sprache. In dicken fetten Lettern stand dort quer über das Bild FICK DICH ARSCHLOCH geschrieben.
Das Gemälde war mit allen nur erdenklichen, hasserfüllten, widerwärtigen und vulgären Schimpfworten vollgeschmiert.
»Ich möchte sie hier nicht haben, Alex.«
Alex stand mit zitternden Händen da und starrte auf sein prächtiges, mit hässlichen Beschimpfungen beschmiertes Gemälde.
»Haben Sie gehört, was ich sagte, Alex? Ich kann sie unmöglich hier behalten. Was, wenn ein Kunde sie aus Versehen zu Gesicht bekommt? Sie können sie mitnehmen, jetzt gleich. Schaffen Sie sie hier raus. Ich will, dass sie von hier verschwinden. Ich will die ganze Geschichte einfach nur vergessen.«
In seinem Zorn konnte Alex nur nicken. Ihm war klar, dass Mr. Martin nicht befürchtete, ein Kunde könnte sie sehen. Viele seiner Künstler gebrauchten diese Art der Sprache gewohnheitsmäßig in Gegenwart seiner Kunden. Vielen Kunden galt diese »farbige« Ausdrucksweise als Beweis für gesellschaftliches Einfühlungsvermögen und künstlerische Selbstwahrnehmung. Je häufiger ein Künstler ein Vier-Buchstabenwort in einem Satz unterbringen konnte, desto visionärer war er in ihren Augen.
Nein, die Worte waren es nicht, die Mr. Martin so zusetzten – er war es gewohnt, sie in seiner Galerie zu hören -, was ihm Angst machte, war der Mann, der sie geschrieben hatte, und der Zusammenhang, in dem sie standen: blanker Hass.
Mr. Martin räusperte sich. »Ich habe ausgiebig über die Angelegenheit nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste wäre, erst einmal keine Arbeiten von Ihnen auszustellen.«
Alex sah auf. »Was?«
Mr. Martin wies auf die Bilder. »Nun, sehen Sie es mal so: Solche Typen könnten gewalttätig werden. Er machte ganz den Eindruck, als würde er nicht zögern, mir das Genick zu
brechen, wenn ich es wagte, auch nur einen Finger gegen ihn zu erheben.«
Alex’ erster Gedanke war, dass Bethany dahintersteckte, doch er verwarf ihn gleich wieder. Er war einigermaßen sicher, dass sie nicht über solche Summen verfügte, um damit ihren Unmut auszuleben.
»Wie sah der Kerl aus? Beschreiben Sie ihn.«
»Nun«, erwiderte Mr. Martin, ob der Erregtheit in Alex’ Tonfall leicht verblüfft, »er war groß und kräftig gebaut – etwa so wie Sie. Er trug Freizeitkleidung, aber nichts Teures. Braune Hosen, irgendein unauffälliges Hemd, das er über der Hose trug. Beige mit einem senkrechten blauen Streifen an der linken Seite.«
Die Beschreibung sagte Alex nichts.
Ihm war schlecht vor Wut. Er riss die Leinwand aus dem Spannrahmen, wiederholte den Vorgang dann bei den anderen fünf. Die Schmähungen und Obszönitäten, die die Darstellungen landschaftlicher Schönheit schändeten, nahm er nur am Rande wahr. Angesichts des Ausmaßes der Gemeinheiten drehte sich ihm der Magen um, nicht so sehr wegen der Ausdrücke selbst, sondern wegen des unverhohlenen Hassgefühls, für das sie standen.
Es waren einfach Darstellungen landschaftlicher Schönheit, mehr nicht. Etwas, was den Betrachter erbauen, ihm ein gutes Gefühl für das Leben und die Welt, in der er lebte, geben sollte. Einen Groll gegen alles Schöne zu hegen, das war eine Sache, etwas ganz anderes war es, keine Kosten zu scheuen, nur um dieser Verbitterung Ausdruck zu verleihen.
Alex sah ein, dass Mr. Martin recht hatte. Menschen wie er konnten leicht gewalttätig werden.
Er hoffte sehr, ihm zu begegnen.
9
Die zusammengerollten, verschandelten Bilder unter den einen Arm geklemmt, das sorgfältig in braunes Packpapier eingeschlagene Gemälde unter dem anderen, verließ Alex wortlos Mr. Martins Galerie. Sosehr er auch innerlich kochte – sich zu streiten wäre sinnlos gewesen. Mr. Martin hatte Angst.
Eigentlich konnte er ihm keinen Vorwurf machen. Die meiste Zeit allein in seiner Galerie, war er ein wehrloses Opfer. Der Fremde konnte jederzeit wiederkommen. Was sollte Mr. Martin tun? Alex konnte schlecht von ihm erwarten, dass er den Mumm aufbrachte, sich einer Auseinandersetzung zu stellen, die
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