Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
und drückte sie unsanft gegen eine Wand. Er hatte nicht so grob sein wollen, aber der Schock, diese Worte zu hören, löste etwas in seinem Innern aus, also handelte er.
»Was haben Sie da gerade gesagt?«, fragte er mit zusammengepressten Zähnen.
Er hielt ihren linken Arm mit seiner rechten Hand gepackt; das Bild klemmte zwischen ihnen. Den linken Unterarm hatte er um ihre Kehle gelegt, seine Hand krallte sich an der anderen Schulter in ihr Kleid. Wenn er zudrückte, würde er ihr die Luftröhre zerquetschen.
Sie blickte ihm fest in die Augen. »Ich sagte, ich sei auf der Suche nach Menschen einer anderen Art. Und nun schlage ich vor, du überlegst dir noch einmal, was du tust, und lässt mich ganz vorsichtig los. Beweg dich nicht zu schnell, sonst schlitze ich dir die Kehle auf, und es wäre mir äußerst unangenehm, wenn ich dazu gezwungen wäre. Ich bin auf deiner Seite, Alex.«
Alex runzelte fragend die Stirn, doch als sie ganz leicht zudrückte, erkannte er, dass sie ihm tatsächlich eine Messerspitze unters Kinn hielt. Er hatte keine Ahnung, wo das Messer hergekommen war oder wie sie es so schnell hatte ansetzen können, er wusste nur eins: Sie scherzte nicht.
Außerdem war er nicht sicher, wer die Oberhand behalten würde, wenn es hart auf hart käme. Schnell war er auch. Trotzdem, es war nie seine Absicht gewesen, ihr wehzutun. Er hatte sie nur festhalten wollen.
Langsam begann er seinen Griff zu lösen. »Vor ein paar Tagen hat meine Mutter genau dieselben Worte gebraucht.«
»Aha.«
»Sie lebt eingesperrt in einer Anstalt für Geistesgestörte. Als ich sie besuchte, meinte sie, ich müsse fliehen und mich verstecken, ehe mich gewisse Leute kriegten. Als ich fragte, wer mich zu kriegen versuchte, antwortete sie: ›Menschen einer anderen Art.‹ Kurz darauf kam in den Nachrichten die Meldung von den beiden ermordeten Streifenpolizisten, die mit gebrochenem Genick aufgefunden worden waren. Daraufhin meinte meine Mutter: ›Sie brechen Menschen das Genick.‹ Danach hat sie sich in ihre eigene, entrückte Welt zurückgezogen und seitdem kein Wort mehr gesprochen – und wird es auch wochenlang nicht tun.«
Jax drückte mitfühlend seinen Arm: »Das mit deiner Mutter tut mir leid, Alex.«
Er sah sich um, ob jemand sie beobachtete. Niemand tat es. Wahrscheinlich hielten die Leute sie für ein verliebtes Paar, das einander nette Nichtigkeiten zuflüsterte.
Sein Blut kochte, und trotz ihrer beruhigenden Worte und sanften Berührung hatte er Mühe, wieder runterzukommen. Er zwang sich, seine Kiefermuskeln zu entspannen.
Irgendetwas zwischen ihnen hatte sich verändert und war todernst geworden. Er war sich sicher, dass sie es ebenfalls spürte.
»Ich will wissen, wie es möglich ist, dass Sie dieselben Worte gebraucht haben wie meine verrückte Mutter. Ich möchte, dass Sie mir das erklären.«
Aus einer Entfernung von nur wenigen Zentimetern sah sie ihm in die Augen. »Deshalb bin ich hier, Alex.«
10
Lautlos schloss sich die mit schwarzem, gestepptem Leder gepolsterte Tür des Regent Grill hinter ihnen. Das düstere Allerheiligste im Innern des Restaurants war fensterlos. Die Empfangsdame, ein überdrehtes Wesen mit einem hauchdünnen, flatternden Halstuch, führte sie zu einer stillen Ecknische, um die Alex gebeten hatte. Abgesehen von zwei älteren Damen im entfernten Mittelbereich des Restaurants, die unter einem ausladenden, aber nur spärlich leuchtenden zylindrischen Kronleuchter saßen, befanden sich keine Gäste im Restaurant.
Menschenleer oder nicht, Alex mochte nicht mit dem Rücken zum Raum sitzen. Er hatte das sichere Gefühl, dass Jax dies ebenfalls nicht wollte.
Sie schlüpften in die Nische und ließen sich nebeneinander mit dem Rücken zur Wand nieder.
Die gesteppten, gepolsterten und mit Goldstoff ausgeschlagenen Wände, die luxuriösen Stühle, der marmorierte blaue Teppich und die elfenbeinfarbenen Tischdecken, all das machte das Restaurant zu einem Hort gedämpfter Intimität. An dem abgelegenen Tisch im rückwärtigen Teil fühlten sie sich sicher.
Nachdem die Empfangsdame ihnen die Speisekarte vorgelegt und der Hilfskellner ihre Wassergläser gefüllt hatte, schaute sich Jax abermals um, ehe sie das Wort ergriff. »Hör zu, Alex, dies wird nicht einfach zu erklären sein. Außerdem habe ich im Augenblick nicht die Zeit, um dir das alles darzulegen. Du musst mir vertrauen.«
Alex war nicht eben in entgegenkommender Laune. »Warum sollte ich das tun?«
Sie lächelte
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