Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
erfahren, die dich beobachten.«
»Mir stellen sie auch ständig irgendwelche Fragen.«
Alex nickte. »Ich erinnere mich, du hast davon gesprochen. Deswegen sind wir hier. Wir müssen wissen, was sie wollen.«
»Was sie wollen?«
Wenn seine Mutter bei klarem oder doch einigermaßen klarem Verstand war, ließ sie sich leicht aus dem Konzept bringen. Auch wusste Alex, dass die bewusste Wahrnehmung ihrer tatsächlichen Umgebung wahrscheinlich nicht lange anhielt. Wenn er seine Antworten nicht bald bekam, würde sich ihr Verstand vermutlich wieder nach innen kehren. Andererseits mussten sie behutsam vorgehen, da sie ansonsten einfach dichtmachen würde. Er hatte es jahrelang versucht und war nur selten erfolgreich mit ihr auf dieses Messers Schneide entlangbalanciert.
»Ganz recht, Mom. Diese Leute, die dich beobachten, wollen etwas. Du hast mir schon früher davon erzählt. Wir müssen etwas darüber wissen.«
Sie legte einen dürren Finger an ihre Unterlippe. »Sie erkundigen sich nach … nach … so wie sie sprechen, kann man sich das nicht so einfach merken. Ich verstehe nicht, was sie von mir wollen. Immerzu stellen sie Fragen, irgendwelche verwirrenden Fragen. Ich verstehe das nicht.«
»Ich weiß. Für uns ist es auch verwirrend. Aber wir müssen wissen, was sie von dir wollen. Bitte, Mom, versuch dich zu erinnern.«
Als seine Mutter ihn lediglich stirnrunzelnd ansah, als hätte sie nicht verstanden, was er von ihr wollte, stützte Jax ihre Unterarme auf die Knie und beugte sich vor.
»Mrs. Rahl, vermutlich gebrauchen sie eine Formulierung wie ›Erzähl uns etwas über …‹, und dann folgt ein bestimmtes Wort. Erinnern Sie sich? Was folgt danach, wenn sie diese Formulierung gebrauchen?«
Einen Moment lang strich sie sich nachdenklich die Haare glatt, dann sah sie unvermittelt auf.
»Ich glaube, sie sagen: ›Erzähl uns etwas über den Gang.‹ Stimmt das?«
Jax ließ sich nicht die geringste Regung anmerken.
»Das ist völlig ausgeschlossen«, murmelte sie leise bei sich, während sie sich langsam erhob. »Das können sie unmöglich gemeint haben.«
»Was ist?« Alex stand ebenfalls auf. Fast konnte er sehen, wie ihre Gedanken rasten, während ihr Blick entrückt umherwanderte. »Was bedeutet das?«
Jax schien ihn gar nicht zu hören. Unvermittelt richtete sie ihren Blick wieder auf seine Mutter. Ihre Stimme bekam einen eindringlichen, fast fordernden Tonfall.
»Das ist das Wort, das sie gebrauchen, ›Gang‹? Exakt dieses Wort?«
Seine Mutter sank in ihrem Sessel leicht zusammen. »Exakt dieses Wort?«
Alex konnte sehen, dass der Druck, mit einer Antwort aufwarten zu sollen, sie zusehends verwirrte. Angesichts Jax’ ernster Miene beschloss er aber, sich nicht einzumischen.
»Vielleicht denken Sie, dass sie dieses Wort meinen«, hakte Jax nach, »und doch ist es gar nicht das Wort, das sie gebrauchen. Könnte es vielleicht ein etwas längeres Wort sein, das Sie an das Wort ›Gang‹ erinnert?«
Verwirrt sah sie Jax an. »Ein etwas längeres Wort? Vielleicht …«
»Vielleicht was?«, drängte Jax.
Alex hatte den Eindruck, dass Jax kurz davor stand, seine Mutter am Kragen zu packen und auf die Füße zu ziehen.
Plötzlich hellten die Augen seiner Mutter auf, und sie schien sich zu erinnern.
»Nicht ›Gang‹. ›Durchgang‹, so lautete das Wort.« Sie hob einen Finger. »Sie sagen ›Erzähl uns etwas über den Durchgang‹.«
Jax wurde leichenblass.
»Mögen die gütigen Seelen sich unser erbarmen.«
Alex legte ihr die Hand auf den Rücken, um sie zu beruhigen. »Was ist?«
»Jetzt weiß ich, was sie wollen«, hauchte sie. Mit zitternden Fingern strich sie sich das Haar aus dem Gesicht. »Alex, wir stecken bis zum Hals in Schwierigkeiten.«
Just in diesem Moment ging die Tür auf. »Zeit für Ihre nachmittägliche Medikamenteneinnahme, Helen.«
Es war eine Schwester. Alex war so durcheinander, dass er sich nicht einmal an ihren Namen erinnerte. Sie war mittleren Alters, grobknochig, und von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet. Ihre weiße Schwesternhaube wies am Rand einen schmalen roten
Streifen auf, ihr frisch gestärkter Kittel jedoch, der bis zur Mitte ihres Unterschenkels reichte und dort eine blickdichte weiße Strumpfhose bedeckte, war von makellosem Weiß. Ihre klobigen weißen Schuhe waren blitzblank.
»Ich will sie nicht!«, schrie Alex’ Mutter.
»Aber, aber, Helen.« Die Frau kam näher. »Sie wissen doch, Dr. Hoffmann möchte, dass Sie Ihre Medikamente nehmen,
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