Das Gesetz der Vampire
keltischen Harfe die süße Melodie entlockten, die Ashton gehört hatte.
Von ihm ging eine Kraft aus, die größer war als die seiner drei Helfer zusammengenommen. Die rothaarige Frau und der Afrikaner stellten sich jetzt wachsam hinter ihren Meister und ließen Ashton keine Sekunde aus den Augen, während die Südländerin das Zimmer verließ und nur wenig später mit einem Tablett zurückkehrte, auf der ein Weinglas und eine Karaffe standen, in der eine rote Flüssigkeit schwappte. Deren Geruch verriet ihm, dass es frisches Blut vermischt mit etwas Rotwein war. Tierblut mit Schwarzriesling, um genau zu sein.
Ashton starrte das lebensspendende Blut hungrig an und musste sich beherrschen, um sich nicht unkontrolliert darauf zu stürzen. Der Harfenspieler schlug den letzten Ton an und stellte schließlich sein Instrument zur Seite, nachdem der verklungen war. Er öffnete die Augen und gab der Südländerin einen Wink, die das Glas randvoll mit Blut füllte.
»Stärke dich erst einmal, junger Bruder«, forderte er Ashton auf. »Du hast seit deiner Verwandlung noch nichts getrunken und bist gefährlich ausgehungert. Du darfst niemals wieder so lange ohne Nahrung bleiben. Wie du inzwischen festgestellt haben dürftest, macht Fasten dich so hungrig, dass deine Beherrschung versagt und du wahllos alles anfällst, was auch nur einen Tropfen Blut in sich trägt.«
Die Südländerin hielt ihm das gefüllte Glas einladend hin. Ashton schwieg und verzichtete. Für ungefähr eine halbe Sekunde. Dann schnappte er das Glas und stürzte seinen Inhalt gierig hinunter. Das Blut war körperwarm temperiert und schmeckte mit dem Wein hervorragend für seinen vampirischen Geschmackssinn. Sein Verstand ekelte sich immer noch, Blut zu trinken, um zu überleben, aber sein Magen jubelte, und er fühlte sich schlagartig besser. Die Vampirin füllte ihm unaufgefordert nach, und Ashton trank auch dieses Glas leer und schließlich noch ein drittes. Wieder wurde er von Eindrücken überschwemmt, die das Tier – ein Hase – gehabt hatte, von dem das Blut stammte: Hunger, Sonnenwärme und den Drang nach Kopulation.
Er spürte, wie jede Körperzelle die Energie des Blutes aufsog wie ein nasser Schwamm. Die Falten, die seine Haut inzwischen gebildet hatte, glätteten sich innerhalb von Sekunden, und er fühlte sich so kraftvoll und energiegeladen wie nie zuvor. Schamlos hielt er der Vampirin das Glas für eine vierte Füllung hin, die er ebenfalls in großen Zügen austrank und hatte nichts dagegen, dass sie ihm noch ein fünftes Mal einschenkte.
»Ich bin Gwynal Clàrsair«, stellte sich der Harfenspieler jetzt vor. »Oder Gwyn Harper für moderne Menschen. Clàrsair ist das gälische Wort für Harfner, was mein Beruf und meine Passion ist. Man nennt mich aber auch – mit mehr oder weniger Respekt – den Alten , obwohl ich keineswegs der Älteste von uns bin. Ich wurde vor 3371 Jahren in Britannien geboren und ritt unter anderem auch an der Seite von Königin Boudicca, als sie gegen die Römer kämpfte. Diese drei« – er deutete auf die anderen Vampire – »sind Wächter wie ich. Womit wir auch schon bei dem Grund wären, weshalb du jetzt hier bist.«
»Ja, ich habe mir schon gedacht, dass Sie mich nicht gefangen genommen haben, um mich zu füttern« sagte Ashton kalt. Schon beim ersten Klang seiner Stimme hatte er in ihm den Mann erkannt, der im Black Magic angerufen und die Vampire dort vor ihm gewarnt hatte. »Ich nehme an, Sie wollen den Tod Ihrer Kameraden rächen und mich ebenfalls töten.« Er zuckte mit den Schultern. »Nur zu! Sie tun mir damit einen großen Gefallen.«
Gwynal sah ihn spöttisch an und verzog das Gesicht zu einem breiten Lächeln. »Welch tragische Ironie«, fand er. »Ashton Ryder, der gnadenloseste Jäger, den wir seit langer Zeit erlebt haben, ist jetzt selbst ein Vampir und bettelt deswegen um seinen Tod. Unter anderen Umständen wäre das ein köstlicher Witz!«
»Ich habe schon besser gelacht«, knurrte Ashton bissig und stellte das leere Glas auf dem Beistelltisch neben seinem Sessel ab. Die Südländerin setzte die noch halb gefüllte Karaffe daneben und stellte sich wachsam schräg hinter ihn.
»Ja, das glaube ich gern.« Gwynal musterte Ashton aufmerksam. »Kann ich dir noch etwas anbieten, junger Bruder?«
Ashton hasste es, von einem Vampir als Bruder bezeichnet zu werden. Es juckte ihn in den Fingern, Gwynal und die anderen auf der Stelle zu vernichten. Doch er machte sich über seine
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