Das Gesetz der Vampire
sie die besondere Nahrung bringen mussten.
Ashton genoss sein blutgetränktes Steak und seinen »Wein«, hing seinen Gedanken nach und fühlte sich dabei unglaublich einsam. Er sehnte sich nach Gesellschaft und auch, wie er zugeben musste, nach Intimität. Dass ausgerechnet Stevie bei diesen Gedanken eine zentrale Rolle spielte, wunderte ihn nicht. Sie war ihm in den vergangenen vier Wochen sehr vertraut geworden; außerdem hatte er sich von ihrer Schönheit von Anfang an körperlich angezogen gefühlt. Doch natürlich war er wohl so ziemlich der letzte Mann, der bei ihr eine Chance hätte. Dennoch vermisste er sie irrationaler Weise.
Ungewollt beschlich ihn der Gedanke, wie sich sein weiteres Leben wohl gestalten würde, falls er sich entschied, weiterhin als Vampir zu existieren. Er müsste sich in dem Fall neue Freunde suchen, einen neuen Wohnort und ganz von vorn anfangen. Oder er würde als ruheloser Wanderer mal hier und mal dort einen kleinen Zwischenstopp einlegen. Er konnte sich allerdings nicht vorstellen, dass er damit jemals zufrieden sein würde.
Er registrierte nur am Rande, dass zwei weitere Vampire das Restaurant betraten und sich zu den beiden Menschen setzen. Ashton lächelte unwillkürlich. Noch vor vier Wochen wäre er davon überzeugt gewesen, dass die Vampire diese beiden als ihre nächsten Opfer auserkoren hatten und hätte alles daran gesetzt, sie zu vernichten, bevor sie ihre finsteren Pläne in die Tat umsetzten. Jetzt wusste er es besser, was ihm wieder seine Schuld zu Bewusstsein brachte, die er wohl nie würde tilgen oder genug büßen können.
Entschlossen schob er diese Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf sein Essen. Er merkte erst wieder auf, als vom Tisch der Menschen her das Wort »Wächter« an seine Ohren drang. Da das menschliche Gehör nicht annähernd so fein war wie das der Vampire, sprachen sie, selbst wenn sie flüsterten, für Vampirohren immer noch recht laut, und auch die Vampire mussten lauter reden, als sie das untereinander getan hätten, damit ihre menschlichen Gesprächspartner sie überhaupt hören konnten. Da Ashton an keinem von ihnen die kraftvolle Ausstrahlung der Wächter wahrnahm, weckte deren Erwähnung augenblicklich seine Neugier, und er konzentrierte sich auf ihr Gespräch, während er sich äußerlich nicht anmerken ließ, dass er sie belauschte. Schließlich verbot das die vampirische Höflichkeit, wie Stevie ihm beigebracht hatte.
»Ich frage mich nur, wie Sie sich um Ihre Wächter ›kümmern‹ wollen«, sagte einer der Menschen. »Nach allem, was wir über Ihre Elitetruppe gehört haben, soll mit denen nicht gut Kirschenessen sein.«
»Wir haben auch nicht vor, mit ihnen Kirschen zu essen«, antwortete einer der Vampire. »Wir werden sie ablenken, sodass sie anderweitig beschäftigt sind. Doch die Einzelheiten gehen Sie nichts an.«
»Die sind mir auch egal«, versicherte der Mann. »Mich interessiert nur, dass Sie Ihr Wort halten und dafür sorgen, dass Peters nicht zur Wahl zur Verfügung steht.«
»Das werden wir. Aber das sollten wir hier nicht in der Öffentlichkeit besprechen.«
Ashton musste sich nicht umdrehen, um zu spüren, dass der Vampir eine unauffällige Geste in seine Richtung machte. Er ließ sich nichts anmerken und tat, als wäre er ausschließlich auf sein Essen konzentriert und in die Abendzeitung vertieft, die er nebenbei las. Wenig später erhoben sich die vier Männer von ihrem Tisch und verließen das Restaurant.
Ashton wäre ihnen am liebsten heimlich gefolgt, aber die beiden Vampire hätten das natürlich augenblicklich bemerkt, wie sie auch bemerken würden, wenn er sich vor ihrem Hotelzimmer herumdrückte, um sie zu belauschen. Falls er Glück hatte, wohnten sie auf demselben Flur wie er oder unmittelbar unter oder über ihm, sodass er durch die Decke ihr Gespräch belauschen konnte. Er ließ den Rest seines Essens stehen, bat im Vorbeigehen die Kellnerin, ihm diesen auf sein Zimmer zu bringen und ging den Männern nach. Die beste Methode, bei einem Zielobjekt gar nicht erst den Verdacht aufkommen zu lassen, dass es beschattet wurde, war, in völlig harmlos scheinender Weise seine Nähe zu suchen. Jeder, der etwas zu verbergen hatte, ging selbstverständlich davon aus, dass ein Verfolger bestrebt war, nicht gesehen zu werden. Deshalb war das »sich Verstecken in der Öffentlichkeit« in mehr als einer Hinsicht die beste Tarnung.
Es gelang Ashton, ohne jede verdächtige Hast noch in dieselbe
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