Das Gesetz der Vampire
untersuchen würde, selbst wenn Shepherd dagegen sein sollte, und das war im Moment das Wichtigste. Die Überzeugungsarbeit hatte Zeit.
Ashton fuhr südwärts in Richtung Atlanta. Von Richmond aus war es eine Strecke von etwa 500 Meilen. Wenn er schnell genug fuhr, konnte er noch vor Morgengrauen dort sein. Notfalls musste er eben noch einmal einen Zwischenstopp einlegen.
***
Stevie verließ Ashton mit einem Gefühl von Bedauern und ärgerte sich, dass sie so empfand. Sie ärgerte sich auch, dass sie überhaupt hergekommen war. Es hätte völlig genügt, sich einen Bericht von ihm am Telefon geben und den Vertrag als E-Mail-Anhang senden zu lassen. Stattdessen war sie zu ihm gefahren.
Natürlich konnte sie unmöglich zugeben, dass ihr ihre Wohnung unglaublich leer erschienen war, als sie gestern Morgen nach Hause kam. Ashton hatte sich in den vergangenen vier Wochen derart in ihr Leben eingefügt, dass sie seine plötzliche Abwesenheit beinahe als schmerzhaft empfand. Außer der Dankesnotiz und dem Geld, das er ihr zurückgelassen hatte, deutete nichts daraufhin, dass er jemals da war. Sie vermisste ihn und wehrte sich erfolglos gegen dieses Gefühl.
Ihr erster Eindruck von Ashton war von ihrem Abscheu vor ihm geprägt gewesen. Sie hatte sich lange daran geklammert, weil es ihr wie ein Verrat an den Toten vorgekommen wäre, wenn sie Ashton so unvoreingenommen begegnete wie Gwynal es tat. Doch Stevie musste zugeben, dass Ashton wahrhaftig kein hassenswerter Mann war. Allen seinen Handlungen lag die zutiefst verinnerlichte Überzeugung zugrunde, das Richtige zu tun. Das galt gerade auch für die von ihm verübten Morde. Hätte er damals gewusst, was er heute wusste, er hätte sie nie begangen.
Ashton Ryder war etwas Besonderes, und Stevie fühlte sich zu ihm hingezogen wie noch zu keinem Menschen oder Vampir zuvor. Das hatte nichts mit Liebe zu tun; zumindest nicht mit der Form von Liebe, die sie bisher kennengelernt hatte. Es ging sehr viel tiefer. Dies war eine der seltenen Verbindungen, von denen sie die Alten manchmal reden gehört hatte, die zwei Individuen zu einer Einheit verschmolz.
Sie hatte es in dem Moment gespürt, als sie zum ersten Mal mit Ashton meditierte. Ihre Seelen hatten einander in einer Weise berührt, dass keiner von ihnen ohne den anderen je wieder ein zufriedenes, ausgeglichenes Leben würde führen können. Von einem glücklichen gar nicht zu reden. Das war nüchterner, wenn auch für Stevie überaus schmerzhafter Fakt. Wieder einmal verfluchte sie die Perversität des Schicksals, dass ausgerechnet der schlimmste Vampirjäger der letzten hundert Jahre der Mann sein musste, mit dem sie dieses besondere Band teilte. Doch Ashton, der noch viel zu jung war und sich mit seiner Existenz als Vampir noch lange nicht ausgesöhnt hatte, war wahrscheinlich außerstande, diese Verbindung ebenfalls zu spüren. Zumindest gab es keine Anzeichen dafür, dass er etwas Ähnliches fühlte.
Verdammt! Sie hatte so sehr gehofft, dass sie wieder zu ihrem gewohnten Leben zurückkehren könnte, sobald Ashton fort war und musste nun feststellen, dass das Gegenteil der Fall war. Für einen Moment empfand sie eine profunde Wut auf Gwynal, der möglicherweise lange vor ihr bemerkt hatte, was sie und Ashton verband und sie nur zu seiner Mentorin ernannt hatte, um das zu forcieren. Schließlich war er mit Cronos durch ein ebensolches Band vereint gewesen und erkannte es zwangsläufig auch in anderen. Sie würde den Alten kräftig in den Arsch treten, sobald er aus New York zurück war. Leider würde das ihr Problem nicht lösen.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie die Präsenz von fünf Vampiren fühlte, die gerade auf dem Parkplatz des Sundown Inn ankamen. Sie identifizierte sie sofort als diejenigen, die Ashton damals im Blue Moon angegriffen hatten. Mike hatte sie bereits gewarnt, dass die ihre Rachepläne noch lange nicht aufgegeben hatten. Da Stevie genau wusste, dass die fünf hier in Richmond nichts zu suchen hatten, konnte sie sich unschwer vorstellen, weshalb sie gekommen waren.
Bevor sie aber Gelegenheit hatte, sie davon abzubringen, verließ Ashton das Hotel, und die fünf Vampire hefteten sich augenblicklich an seine Fersen.
***
Sie tauchten so schnell und unerwartet auf, dass Ashton nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Ein Vampir saß plötzlich neben ihm im Wagen, als er gerade erst dessen Annäherung registriert hatte. Er zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und die
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