Das Gesetz der Vampire
Schwestern angerichtet hat, ist der Verlust eines potenziellen Wächters ein keineswegs zu hoher Preis für ein Mittel, das so etwas in Zukunft verhindern kann.«
»Das wohl«, gab Gwynal zu, »aber es wäre trotzdem elend schade um Ashton.«
»Seine Entscheidung«, betonte Sean nochmals. »Du hast jedenfalls mit der Forderung, dass er drei Monate als Vampir leben muss, alles getan, was du legal tun durftest, um den Grundstein dafür zu legen, dass er uns erhalten bleibt. Alles andere ...«
»Ist seine Entscheidung, ich weiß«, unterbrach Gwynal, aber es klang ausgesprochen frustriert. »Ich hoffe nur, er trifft die für ihn in letzter Konsequenz richtige.«
***
Ashton hatte seine Sachen schnell gepackt, da er auf Reisen ohnehin nicht viel bei sich hatte. Die zwei Garnituren zum Wechseln sowie der Rest der Dinge, die er brauchte, fanden in einer einzigen Reisetasche Platz und ließen noch Raum darin übrig. Außerdem hatte er seine Tasche seit seiner Ankunft in Seans Haus noch gar nicht ganz ausgepackt. So blieb ihm noch viel Zeit bis zum geplanten Aufbruch.
Er ging hinaus in den Garten und setzte sich dort auf eine gepolsterte Bank, die in einer von intensiv duftenden Blumen umgebenen Laube stand. Ashton musste widerwillig zugeben, dass er in der kurzen Zeit, die er jetzt ein Vampir war, die Nacht lieben gelernt hatte. Draußen vor der Stadt war sie erfüllt von Leben, wie er es nie zuvor wahrgenommen hatte. Das Licht der Sterne und erst recht des Mondes erleuchteten die Dunkelheit für ihn in einer Weise, wie es für einen Menschen die Sonne nicht besser hätte tun können. Diese neuen Sinneseindrücke machten ihn beinahe süchtig, und er schwankte ständig zwischen dem Bedürfnis, sie bis zur Neige auszukosten und sie zu unterdrücken aus Angst, dass er noch tiefer in seine Existenz als Vampir hineingezogen wurde, wenn er der Faszination nachgab. Dennoch war und blieb es wundervoll.
Solche Empfindungen hatte er früher mit Mary geteilt in den kostbaren Momenten, in denen er Zeit genug hatte, um sie mit ihr zu verbringen. Obwohl er inzwischen über Marys Tod hinweg war, blieb dennoch eine Lücke in seinem Leben, denn er war kein Mann, den One-Night-Stands über das unmittelbare Stillen der Lust hinaus befriedigten. Doch auch dieses Problem würde sich bald erledigen, wenn er diese Welt in absehbarer Zeit verlassen konnte.
Er stellte allerdings fest, dass sein Wunsch nach dem Tod längst nicht mehr so stark war und sah sich außerstande zu entscheiden, ob der Grund dafür darin zu suchen war, dass er auf die Existenz des Heilmittels hoffte oder darin, dass er sich tatsächlich schon so weit an seine Existenz als Vampir gewöhnt hatte, dass der Wille zu leben stärker war als sein Abscheu vor einem Dasein als Bluttrinker. Der gar nicht mehr vorhanden war, wie er ehrlicherweise zugeben musste und sich gelinde wunderte, dass ihn diese Erkenntnis auch nicht mehr entsetzte.
Vielleicht war es an der Zeit, sich einmal ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie es weitergehen sollte. Wie Stevie so treffend gesagt hatte, musste er diese Entscheidung ja nicht zwangsläufig vor Ablauf der besagten neunzig Tage fällen. Er konnte sich Zeit lassen. Im Moment gab es ohnehin Wichtigeres zu tun.
Wie aufs Stichwort spürte er Stevie kommen, noch ehe er sie sah.
»Störe ich dich, Ashton?«
Er schüttelte den Kopf. »Setz dich ruhig zu mir, wenn du möchtest.« Er fragte sich, was sie wohl von ihm wollte, denn sie war wohl kaum gekommen, um mit ihm Smalltalk zu machen.
Sie nahm neben ihm Platz und blickte zu den Sternen hinauf, die Ashton gerade betrachtet hatte. »Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie es war, die Sterne mit menschlichen Augen zu sehen«, stellte sie fest. »Ich erinnere mich nur daran, wie sehr es mich während der ersten Tage nach meiner Verwandlung irritierte, dass sie so wahnsinnig hell sind und das Mondlicht mich regelrecht blendete.«
Ashton nickte. »Geht mir genauso. Und ich staune immer noch, wie schön die Nacht ist. So habe ich sie früher nie erlebt.«
»Wie solltest du auch. Für menschliche Sicht ist die Nacht einfach nur finster und kalt und deshalb bedrohlich. Dieses unterschwellige Gefühl von Bedrohung übertragen sie unwillkürlich auf die Geschöpfe, die in der Nacht leben: Wölfe, Eulen, Fledermäuse und erst recht Vampire, Werwölfe, Hexen und Dämonen. Dabei ist die Nacht einfach nur wunderschön.«
Er nickte. »Das ist sie in der Tat. Aber du bist doch bestimmt nicht
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