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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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umklammert. Nichts geschah. Als sie schwer atmend auf der anderen Straßenseite ankam, hatte das Motorrad längst abgebremst und stand brav wartend zwischen den Autos, bis die Ampel wieder umschaltete. Jetzt konnte Clara auch sehen, dass es nicht schwarz wie die Maschine von gestern war, sondern rot, und der Fahrer ebenfalls einen roten Helm trug. Sie sah dem Motorrad nach, wie es sich mühelos durch den Verkehr schlängelte, bis es in der Ferne nicht mehr auszumachen war. Ihre von gestern aufgeschürften Knie fühlten sich ein wenig zittrig an und schmerzten von ihrer läppischen überstürzten Flucht. Beschämt strich sich Clara ihre feuchten Locken aus dem Gesicht und schob sie hinter die Ohren. »Feine Heldin«, brummte sie, wütend auf sich und den Rest der Welt. Wie konnte sie auch nur daran denken, irgendetwas zu unternehmen, was Angelo Malafonte helfen konnte, wenn sie schon beim Anblick eines x-beliebigen Motorrades davonlief wie ein verschrecktes Kaninchen. Ihr fielen ihre eigenen altklugen Worte von vorher wieder ein: »Niemand ist unbesiegbar«, hatte sie zu Angelo gesagt und geglaubt, sie könnte ihn damit trösten. Doch dazu musste man erst einmal die eigene Angst besiegen, und das war, wie es schien, bereits ein unüberwindbares Hindernis.
    Clara gelangte ohne weitere Zwischenfälle zur Bushaltestelle, und als keine fünf Minuten später der Bus kam, atmete sie erleichtert auf. Erschöpft wie nach einem Dauerlauf ließ sie sich auf einen freien Platz fallen und schloss für einen Moment die Augen. Sie konnte nicht glauben, in was sie da hineingeraten war. Sie wollte es nicht glauben. Sie wollte die grüne Zelle und Angelos Geschichte beiseiteschieben als etwas, das nicht wirklich passierte, das nicht sie betraf. Doch es betraf sie. Ganz unmittelbar. Es berührte sie an einer Stelle im Inneren, die die Probleme, die ihr Beruf mit sich brachte, bislang nicht hatten erreichen können, die rein und unverletzt geblieben war. Bis jetzt. Und plötzlich war Clara Teil einer Geschichte, in der es Reinheit und Unschuld nicht gab. Und scheinbar keinen Ausweg. Und doch. Etwas hatte sie erreicht. Etwas, was sie schon kaum mehr für möglich gehalten hatte: Angelo hatte mit ihr gesprochen. Endlich hatte er mit ihr gesprochen. Clara war sich bewusst, was das für ihn bedeutet hatte. Doch es war nicht nur ein Vertrauensbeweis, es war auch eine Verantwortung. »Mir wird schon was einfallen«, hatte sie gesagt und gehofft, ihn damit ein wenig aufbauen zu können. Aber jetzt musste ihr auch etwas einfallen. Während die Stadt vor dem schmutzigen Busfenster an ihr vorüberzog, ließ sich Clara noch einmal durch den Kopf gehen, was sie bis jetzt erfahren hatte. Es war denkbar wenig. Wo sollte sie ansetzen? Sie brauchte mehr Informationen, irgendetwas, Fakten, an die sie sich halten, an denen sie einhaken konnte. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Eine vage Hoffnung nur, aber besser als gar nichts. Sie sah auf die Uhr. Es war noch nicht so spät wie befürchtet. Ihr Besuch bei Angelo hatte nicht so lange gedauert, wie es ihr vorgekommen war. Elise konnte es also gut noch ein bisschen aushalten. Clara kramte ihren Fahrplan aus der Tasche und suchte sich die kürzeste Verbindung zum Heimeranplatz. Dann stieg sie an der passenden Bushaltestelle aus und um in die unvermeidliche U-Bahn.
    Arno Pöttingers Kanzlei lag im Westend, ganz am Ende der Gollierstraße, und Clara war seit einer Ewigkeit nicht mehr in dieser Gegend gewesen. Als sie vor dem Kanzleischild stand, rügte sie sich einen Augenblick dafür, nicht vorher angerufen zu haben. Vielleicht war Pöttinger gar nicht im Büro, und sie hatte den Riesenumweg ganz umsonst gemacht. Doch sie hatte Glück. Die ältliche, strenge Sekretärin am Empfang bat sie zwar, einen Augenblick zu warten, aber Arno war da, und er hatte Zeit für sie. Kribbelig vor Erregung setzte sich Clara auf den Rand eines der schäbigen Holzstühle im Wartezimmer und blätterte ein wenig in den Zeitschriften, die dort herumlagen wie bei einem Zahnarzt. Die Auswahl der Lektüre war jedoch eher eigenwillig: weder hippe Hochglanzmagazine noch die üblichen Klatsch-Illustrierten, stattdessen eine große Auswahl höchst subversiver Comics von der Art, wie sie Frau Bloch-Stiegler und ihrem Gatten höchstwahrscheinlich die Tränen in die Augen getrieben hätten, sowie Broschüren mit Titeln wie »Ausstieg aus der Sucht«, »Antiaggressionstherapie« oder »Bewährungshilfe, was ist das?« Clara hatte gerade

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