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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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legte sie auf das leere Kopfkissen. Nach kurzem Zögern nahm sie den Stein von den Bildbänden und beschwerte das Blatt damit. Dann verließ sie die Wohnung und schloss so leise wie möglich die Tür hinter sich. Als sie nach unzähligen Treppen - der Aufzug war ihr an diesem Morgen zu eng und zu alt erschienen, um Vertrauen zu erwecken - einigermaßen atemlos unten ankam, fiel ihr noch etwas ein. Sie ließ ihren Blick prüfend über die endlose Reihe von Briefkästen schweifen und las sorgfältig jeden Namen. Endlich fand sie ihn: Michael Hamilton stand auf einem der letzten Kästen und darunter ein messingfarbenes, schiefes Plättchen mit einer Acht für das Stockwerk. Sie nickte befriedigt. »Man sollte wenigstens wissen, wie der Mann, mit dem man gerade die Nacht verbracht hat, mit vollem Namen heißt«, meinte sie ironisch zu sich selbst, und die Stimme der Vernunft in ihrem Kopf, die langsam aus einem bleiernen, ohnmachtsähnlichen Schlaf erwachte und noch nicht ganz auf der Höhe war, pflichtete ihr ausnahmsweise vorbehaltlos bei.
     
    Zuhause in ihrer eigenen Wohnung flaute das schwebende und zugleich mulmige Gefühl, das sie auf ihrem Weg durch die noch schlafende Samstagmorgen-Stadt begleitet hatte, merklich ab, und als ihr Blick auf Elises leere Schlafstelle im Flur fiel, verschwand es vollends. Ein dumpfer, schwerer Trauerknoten machte sich in ihrem Bauch breit und drängte die flirrenden Schmetterlinge zur Seite. Doch die Verzweiflung, die Clara gestern erfasst hatte, dieses Gefühl vollkommener Kraft- und Hilflosigkeit war nicht mehr da. Ihre Energie und ihre Kampfbereitschaft schienen gewillt zu sein, zu ihr zurückzukehren, wenngleich Clara im Augenblick noch zu müde und ohne einen blassen Schimmer war, wie dieser Kampf weitergeführt werden sollte. Sie entschied sich, dem dringendsten Bedürfnis zuerst nachzugeben und zu schlafen. Als sie unter die kühle, vertraute Decke kroch, seufzte sie und war eine Minute später bereits tief und fest eingeschlafen.
    Ein hartnäckiges Geräusch ließ sie langsam aus ihren wirren Träumen heraustauchen, die sich um einen Furcht erregenden, am ganzen Körper tätowierten Mann mit dem Gesicht von Gaetano Barletta drehten, der immer verschwand, wenn Clara nach ihm greifen wollte. Eine riesige, klebrige Eiscremepfütze in ihrer Küche und eine Fahrradklingel spielten dabei ebenfalls eine bedeutende Rolle. Die Fahrradklingel entpuppte sich als ihr Telefon, und als Clara das Geräusch endlich zuordnen konnte, sprang sie schlaftrunken aus dem Bett.
    »Hmm, ja?«
    »Mama?« Es war Sean. »Was ist los mit dir?«, fragte er alarmiert.
    Claras Sinne kehrten langsam aus dem Traum in die Realität zurück. »Was soll sein?«, entgegnete sie und gähnte herzhaft.
    »Du klingst so komisch. Und außerdem versuche ich seit heute Morgen, dich zu erreichen. Wo warst du denn?«
    »Ich habe geschlafen«, gab Clara zurück. »Ich hab wohl das Telefon nicht gehört.«
    »Mama! Es ist halb eins mittags! Wieso hast du jetzt noch geschlafen? Bist du krank oder was?«
    Sean klang besorgt und vorwurfsvoll zugleich, und das amüsierte Clara. Genauso musste sie immer geklungen haben, wenn Sean wieder einmal zu spät nach Hause gekommen war oder andere Dinge getan hatte, die seine Mutter ängstigten. Offensichtlich funktionierte dieses Spiel auch andersherum. »Alles in Ordnung.« Clara log und überlegte ein wenig beunruhigt weiter, dass Sean auf ihre Fragen wahrscheinlich auch immer eine besänftigende Lüge parat gehabt hatte. Im Nachhinein, wenn alles gut gegangen war, war man mitunter sogar versucht, die Wahrheit so genau gar nicht mehr wissen zu wollen. »Und was ist mit dir? Geht es dir gut?«, fragte Clara, und rieb sich die Stirn. »Hast du Spaß?«
    »Mmh.« Die Antwort kam außerordentlich zögernd, und es folgte keine weitere Erklärung.
    »Was ist? Ist etwas passiert?« Clara spürte, wie sich ihr Magen warnend zusammenzog.
    »Nein. Gar nichts. Ist schon toll, Dublin und so, alles ziemlich krass …«
    »Verstehst du dich nicht mit deinem Vater, habt ihr gestritten?«, mutmaßte Clara.
    »Nein. Eigentlich nicht.«
    Clara wartete.
    »Es ist nur, die Arbeit, die mir Ian da beschafft hat, in der Brauerei, weißt du, die ist ganz schön heavy, ich bin abends immer saumüde, komm gar nicht so zum Weggehen und Leutekennenlernen und so.«
    »Hast du’s deinem Vater gesagt?«, fragte Clara, neugierig darauf, wie Ian auf diese Klage reagiert hatte.
    »Ja, schon. Aber er meinte, das

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