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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Er zögerte, und Clara glaubte tatsächlich so etwas wie Schüchternheit hinter dem Schalk in seinen Augen zu erkennen. Er fuhr tapfer fort: »… vielleicht möchtest du … heute Nacht nicht so gerne allein sein, dachte ich. Wegen dem Einbruch und so …« Er verstummte und warf ihr einen vorsichtigen Blick zu.
    »Wegen dem Einbruch?« Clara brachte ein wackeliges Lächeln zustande. »Und sonst wegen nichts?«, wollte sie wissen.
    Mick schüttelte den Kopf und lächelte zurück. »Nur deswegen, was denkst du denn von mir?« Er strich ihr eine dicke Haarsträhne aus der Stirn, und sein Gesicht war plötzlich wieder ganz nah. Viel zu nah für Clara, die nervös feststellte, dass es in ihrem Bauch schon wieder heftig zu kribbeln begann. Und als er sie dann ein zweites Mal an sich zog, kapitulierte sogar die sonst unermüdliche Vernunftstimme in ihrem Kopf und entließ sie mit einem sanften Schubs in diese Schwindel erregende Nacht, ohne ihr noch einen einzigen Rat mit auf den Weg zu geben.
    Er nahm sie bei der Hand, während sie durch die nächtliche Stadt gingen. Es war nicht weit bis zu seiner Wohnung, hatte er gemeint, eine halbe Stunde zu Fuß vielleicht, oder sogar weniger. Es kümmerte Clara nicht. Sie ging neben ihm her, spürte seine Hand, wie sie ihre Finger fest umschloss, und sie spürte den Abstand zwischen ihnen. Dieser Raum, der noch leer war, unbesprochen und frei von allem Bekannten und Vertrauten, brachte sie dazu, sich mit einer Kraft nach seiner Berührung zu sehnen, die sie an sich nicht kannte, die sie vergessen hatte oder die noch nie da gewesen war. Dieses Verlangen war neu. Vielleicht war es jedes Mal neu, und sie wusste es nur nicht mehr. Sie gingen weiter, sich an den Händen haltend. Ihre Schritte hallten durch die Nacht. Er trug Stiefel, schwere schwarze Stiefel mit Absätzen, Motorradstiefel. Sie überquerten die Nymphenburger Straße, wanderten durch das stille, schlafende Wohnviertel, gelangten endlich an den Rotkreuzplatz. Dort waren die Menschen noch wach, Kneipen hatten noch geöffnet, Autos bremsten an der Ampel, als Clara und Mick schnell und schweigend hinüberliefen.
    Er wohnte in einem Hochhaus hinter dem Platz, dem einzigen Haus weit und breit, das mehr als vier Stockwerke hatte. Der Aufzug war eng und klein. Irgendwann war er einmal gelb gestrichen gewesen. Jetzt blätterte die Farbe speckig von den Wänden, war abgegriffen und stumpf, und die Knöpfe die schwach leuchteten und die Stockwerke anzeigten, waren grau von der Berührung durch unzählige schmutzige Hände. Clara vergaß ihre Angst vor engen Räumen und ihre noch größere Angst vor Aufzügen aller Art. Sie wollte die Hand nicht loslassen, wollte neben ihm stehen und dieses Unbekannte, Zitternde, Neue zwischen ihnen noch ein wenig länger spüren. Doch in dem Moment, als er auf den Knopf drückte, der das achte Stockwerk anzeigte, und die Tür sich zu schließen begann, drängte sich noch ein Paar in den Aufzug. Er, groß und stiernackig, füllte, leicht schwankend, die Hälfte der Kabine aus, und seine Frau, um die fünfzig, mit ausladenden Hüften und einer aufgesteckten blondierten Mähne, schob sich mit einem entschuldigenden Lächeln neben ihren Begleiter. Mick zog Clara ein wenig näher an sich heran. Der Raum zwischen ihnen zerplatzte lautlos. Clara stand jetzt so eng neben Mick, dass sie sein Herz klopfen spürte und sah, wie die Ader an seinem Hals unter der Haut pulsierte, wie ein lebendiges, kleines Tierchen. Sie küsste ihn leicht auf diese Stelle, und sein Griff um ihre Hand verstärkte sich. Er schlang seinen freien Arm um sie, ohne ihre Hand loszulassen, und drückte sie an sich. Clara spürte sein steifes Glied und begann zu zittern. Ihr Körper, ihre Muskeln und Nerven fingen an zu brennen, bis in die Fingerspitzen hinein. Sie erwiderte seinen Druck und spürte, wie er zusammenzuckte. Er keuchte leise und ließ ihre Hand los, als habe er sich verbrannt. Der Aufzug war im siebten Stock stehengeblieben, und das Paar, das mit ihnen zusammen hochgefahren war, verließ den Aufzug. »Schönen Abend noch«, meinte die Frau mit einem viel sagenden Lächeln und hakte ihren angetrunkenen Mann unter, dessen Augen Mühe hatten, geradeaus zu sehen. Mick nickte stumm. Seine Kieferknochen waren so angespannt, dass die Sehnen an seinem Hals hervortraten. Clara spürte, wie sie rot wurde, und gleichzeitig stieg ein unbändiger Drang zu kichern ihre Kehle hinauf. Sie presste ihre Lippen so fest zusammen, dass ihr die

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