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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Augenbrauen und erlaubte sich ein winziges Lächeln. »Ich denke, wir haben hier alles geklärt«, sagte sie zu dem Gerichtsvollzieher, der mit wachsamem, wenngleich ein wenig verwirrtem Gesichtsausdruck neben ihr ausgeharrt hatte.
    Bevor sie ging, sah sie Barletta noch einmal an. Doch das war ein Fehler. Sein Gesicht war verzerrt vor Wut. Ihre Worte hatten ihn ganz offensichtlich mehr aus der Fassung gebracht, als es den Anschein gehabt hatte. Sie konnte seinen Hass spüren. Doch sie spürte auch noch etwas anderes: Ihren eigenen Hass auf ihn. Weil er Elise etwas angetan haben mochte. Und weil er dafür gesorgt hatte, dass sie abends verbarrikadiert, weinend und starr vor Angst in ihrer Küche saß. Weil ihr seinetwegen die Freude am Alltag abhanden gekommen war, die Leichtigkeit heller, ereignisloser Tage und der ruhige, albtraumlose Schlaf und es ihr so vorkam, als kehrten sie nie mehr zurück. Und sie erkannte erschrocken, ihr Hass war dem seinen ebenbürtig. Er durchströmte sie wie eine Abfolge elektrischer Impulse und ließ sie innerlich zittern. Sie hätte ihn töten können. Sie fühlte sich dazu imstande. Und er, er spürte es. Er sah es an ihrem Gesichtsausdruck, ihren Augen, der Anspannung in ihrem Körper. Sie konnte sehen, wie er ihre kaum zu bändigende Wut wahrnahm, wie er instinktiv fühlte, was sie empfand. Und sie konnte sehen, wie er vor ihr zurückwich. Nur für den Bruchteil einer Sekunde und für einen Außenstehenden kaum wahrnehmbar. Doch sie hatte es gesehen, und er wusste, dass sie es gesehen hatte. Das Triumphgefühl, das unvermittelt aufflammen wollte, verebbte jäh, als sie sein Gesicht sah. Sie mochte einen kleinen Sieg errungen haben, aber sie hatte sich damit endgültig einen gnadenlosen, einen tödlichen Feind geschaffen. Hastig wandte Clara den Blick ab und folgte Herrn Hohenleitner, der jetzt, nachdem die Arbeit getan schien, mit unerschütterlicher Ruhe dem Ausgang zustrebte. Als sie wieder an der frischen Luft war, sackte das Adrenalin, das in der letzten halben Stunde unablässig und ihn höchster Konzentration durch ihren Körper geströmt war, unvermittelt ab, und ihre Knie begannen zu zittern. Sie lehnte sie an die Wand neben der Tür und schloss die Augen. Sie hatte erreicht, was sie wollte, Barletta hatte es kapiert. Dessen war sie sich sicher. Aber sie fühlte keine Befriedigung. Sie fühlte keine Erleichterung. Nur Angst.
    Erst als sie in Herrn Hohenleitners Wagen in Richtung Claras Wohnung fuhren - er hatte ihr angeboten, sie nachhause zu bringen, und sie hatte, noch immer zittrig und ein wenig grün um die Nase, dankbar angenommen -, meinte der Gerichtsvollzieher nachdenklich: »Das war aber nicht ganz astrein, wie Sie unseren Kunden da unter Druck gesetzt haben.«
    »Äh, was?« Clara war peinlich berührt. »Sie sprechen Italienisch?«
    »Volkshochschule, oberster Level: conversazione «, gab Hohenleitner stolz zurück. »Ich habe zwar nicht alles verstanden, aber das Wichtigste schon, denke ich.« Er schien darüber sehr befriedigt und in keiner Weise in seiner Berufsehre tangiert.
    » Complimenti «, gab Clara matt zurück.
    »Etwas müssen Sie mir aber doch verraten«, verlangte er und bog schwungvoll in Claras Straße ein.
    »Und was bitte?«, wollte Clara vorsichtig wissen.
    »Was heißt eigentlich puttana ? Ich habe es schon so oft gehört, aber immer wieder vergesse ich, es nachzuschlagen …«
    Clara fragte sich, wo der brave Herr Hohenleitner das italienische Wort für Hure schon so oft gehört haben mochte. Sicher nicht in der Volkshochschule. Lächelnd klärte sie ihn auf, und ihr Begleiter räusperte sich verlegen.
    »Ach!«
    »Ein ganz beliebtes Schimpfwort, würde ich sagen«, beruhigte ihn Clara und stieg aus. »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    »Jederzeit wieder!«, gab Gerichtsvollzieher Hohenleitner zurück. »Von Ihnen kann man noch was lernen!«
     
    Als Clara langsam die Treppen zu ihrer Wohnung hinaufstieg, fühlte sie sich wie ausgehöhlt. Es kostete sie fast übermenschliche Anstrengung, einen Fuß vor den anderen zu setzen. In ihrem Kopf wirbelten die Eindrücke der letzten Stunde wild durcheinander, und wieder stoppten sie bei Barlettas Gesicht. Sie hatte einen Fehler gemacht. Sie hätte ihn nicht demütigen dürfen. Der Moment, in dem er vor ihr zurückgewichen war, zeigte deutlich, dass sie einen Schritt zu weit gegangen war. Warum hatte sie nicht einfach gehen können, als alles gesagt war? Warum musste sie sich noch einmal umdrehen und

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