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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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aus der Haft freizubekommen, waren bisher gescheitert. Angelo war Ausländer, hatte keinen festen Wohnsitz, keine Arbeit und kein Geld, er war in eine tätliche Auseinandersetzung verwickelt gewesen und hatte überdies versucht zu fliehen. Mehr Gründe, ihn bis zur Berufungsverhandlung in Haft zu behalten, konnte man sich kaum denken. Doch obwohl die Zeit drängte, konnte sie sich nicht dazu durchringen, Oberstein jetzt damit zu konfrontieren. Etwas hielt sie zurück. »Worauf um Himmels willen wartest du noch, Clara Niklas?«, murmelte sie, starrte auf die schwungvolle Unterschrift Massimo Moros und legte den dünnen Hefter unschlüssig in ihre Schreibtischschublade zurück.
    Sie hatte es Moro und Simoneit nicht sagen können, doch angesichts Obersteins guter Beziehungen und seiner Abgebrühtheit hatte sie plötzlich Zweifel, ob diese Aussage reichen würde, um ihn unter Druck zu setzen, damit sich in Angelos Verfahren etwas bewegte. Ganz zu schweigen von einem Verfahren gegen Oberstein selbst. Wahrscheinlich würde er nur müde lächeln und sie aus dem Zimmer werfen lassen. Aber trotzdem musste sie es versuchen. Die Zeit lief ihr davon. Die Möglichkeit, dass Angelo etwas zustoßen könnte, war nicht gebannt. Dennoch zögerte Clara. Sie wartete, ohne zu wissen, worauf.
    Rastlos verbrachte sie die nächsten Tage mit Arbeit. Sie besuchte den verletzten Herrn Reisinger im Krankenhaus und veranlasste schweren Herzens seine Einweisung in ein Heim. Sie befriedete endlich und mit einiger Mühe den Streit um den Balkongriller und seinen geplagten Nachbarn. Und sie brachte zwei Scheidungen unter Dach und Fach, wobei die eine nach zwanzig Jahren Ehe erbittert und mit allen Mitteln ausgetragen worden war, das andere Paar sich »im besten Einvernehmen«, trennte, ohne Kinder, mit getrennten Konten und getrennten Bausparverträgen, fünf Minuten vor Gericht, ein kurzer Händedruck, mach’s gut. Clara stimmte letztere Sorte meist fast noch trauriger als die heftigen, anstrengenden Gefechte, zeigten diese immerhin, dass starke Gefühle im Spiel waren. Bei den Single-Kurzzeitehen, blieb hingegen nichts übrig von einer gemeinsamen Zeit. Man traf sich, heiratete, trennte sich wieder, das Leben floss dahin, ohne Spuren zu hinterlassen.
    Und jeden Abend ging Clara nachhause, und die Seifenblase schwoll schillernd und verheißungsvoll an, schwebte über ihr wie eine glitzernde und glänzende Wolke und zerplatzte jedes Mal aufs Neue, wenn Clara in den Torbogen trat und kein Bellen oder auch nur ein Winseln sie begrüßte. Die mittlerweile ausgetauschte Glühbirne über dem Eingang blieb ganz, und auch sonst bemerkte Clara nichts mehr von Barlettas Anwesenheit. Kein Motorrad stand vor ihrem Haus, niemand überraschte sie, und es schien, als hätte sich die ganze Bedrohung in Luft aufgelöst. Wäre nicht Elise wie vom Erdboden verschluckt geblieben, so hätte man annehmen können, es wäre alles nur ein böser Traum gewesen. Doch das war es nicht, und mit jedem Tag, an dem Clara vergeblich auf die Rückkehr ihres Hundes hoffte, mit jedem Telefonat, das sie in dieser Woche immer wieder unermüdlich mit den Tierheimen der Stadt führte, wurde die Seifenblase ein wenig kleiner, bis sie schließlich am Freitagabend, als Clara spät und müde nach Hause kam, gar nicht mehr zerplatzen musste, weil sie nicht mehr da war. Es hatte nichts gebracht. Wahrscheinlich war Elise schon tot gewesen, als sie Barletta aufgesucht hatten. Sie hatte sich getäuscht, wenn sie geglaubt hatte, er würde die Dogge als Druckmittel benutzen. Er hatte sie aus purer Bosheit gestohlen und getötet. Sie hatte es nur nicht wahrhaben wollen. Nur zu gern hatte sie Micks Theorie geglaubt, hatte so sehr gehofft, dass Elise noch am Leben war.
    Mick. Ein weiterer wunder Punkt, ein weiterer loser Faden in ihrem Leben, das sich im Augenblick in eine ganze Menge solcher Fäden aufzulösen schien. Nichts hatte sie zu Ende gebracht, nirgends hatte sie etwas wirklich richtig gemacht. Überall verliefen ihre Schritte im Sand, verloren sich irgendwo im Nebel. Spätestens, nachdem sie Barletta im Metropol getroffen hatte, war ihr klar geworden, was sie schon lange erkannt, aber immer wieder verdrängt und weggeschoben hatte: Mick konnte unmöglich mit diesem Typen gemeinsame Sache gemacht haben. Dieser Verdacht schien ihr plötzlich so weit entfernt wie der Mond. Sie hatte sich in etwas verrannt. Ihre überreizten Nerven hatten ihr etwas vorgegaukelt. Und als ihr das bewusst wurde,

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