Das Gesetz Der Woelfe
bewegten sich lautlos, Clara konnte nicht erkennen, was die Worte bedeuteten. Sie versuchte, ihn zu beruhigen. »Es wird Ihnen nichts zustoßen, Herr Malafonte, wir haben gegen Barletta etwas unternommen.« Sie hob an, es ihm zu erklären, verstummte jedoch nach wenigen Worten resigniert.
Malafonte reagierte überhaupt nicht. Er schüttelte nur weiter den Kopf.
Clara seufzte. »Ihre Tante Rita hat Ihnen fürs Erste einen Platz zum Schlafen besorgt, bei Freunden von ihr. So haben Sie Zeit, sich eine neue Arbeit zu suchen, wenn Sie hierbleiben möchten. Ich werde Ihnen helfen …«
Sie brach ab. Es hatte keinen Sinn. Er hörte sie nicht. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Herr Malafonte! Er wird Ihnen nichts tun. Sie sind sicher, glauben Sie mir.«
Der junge Mann unterbrach das monotone Kopfschütteln und sah sie an. Verzweiflung lag in seinem Blick. » Signora«, begann er leise, und es war das erste Mal, dass er sie nicht mit avvocato ansprach. »Ich werde nie mehr sicher sein. Niemals.« Dann stand er auf. »Trotzdem danke.« Er sah ihr ungewöhnlich offen ins Gesicht. »Ich werde nicht vergessen, was Sie für mich getan haben.« Es klang wie ein Abschied.
Jetzt war es an Clara, den Kopf zu schütteln. »Nein!«, rief sie erregt und sprang auf. »Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Es wird gut werden, es wird alles gut werden!«
Malafonte antwortete nicht. Er stand einfach da, mit hängenden Schultern, und wartete darauf, in seine Zelle zurückgeführt zu werden. Ein Schaf auf dem Weg zur Schlachtbank.
Clara trat neben ihn. Sie fühlte sich hilflos. Was konnte sie nur tun, um ihm begreiflich zu machen, dass es einen Weg geben würde? Dass nicht alles so ausgehen musste, wie er es offenbar gelernt hatte. Dass es immer einen Ausweg gab. Aber ihr fielen keine passenden Worte mehr ein. So reichte sie ihm nur die Hand und meinte: »Ich hole Sie am Montag ab, in Ordnung?«
Angelo nickte gehorsam, aber er sah sie nicht an. Er hatte sich entfernt, zurückgezogen an einen Ort, wohin Clara ihm nicht folgen konnte, und sie war sich nicht sicher, ob sie ihm hätte folgen wollen, wenn er es zugelassen hätte.
Clara ließ sich von dem Beamten an der Pforte ein Taxi rufen, und während sie auf es wartete, überkam sie ein merkwürdiges Gefühl von Trauer. Sie war enttäuscht, weil es ihr nicht gelungen war, Malafonte von dem, was sie für ihn erreicht hatte, zu überzeugen, und es bedrückte sie, dass ein so junger Mensch so vollkommen ohne Hoffnung war. Sie dachte an die Verzweiflung in seinen Augen und an das starre, mechanische Kopfschütteln, als sie ihm die vermeintlich gute Nachricht überbracht hatte. Es war ihr unheimlich gewesen. Und plötzlich, ohne Vorwarnung, kam die Angst zurück. Unvermittelt stand ihr wieder vor Augen, was ihr seit dem Moment, an dem sie ihm gegenübergestanden hatte, klar gewesen war: Barletta würde nicht aufgeben. Möglicherweise hatte sie ihn ein wenig ins Stolpern gebracht, ihn gezwungen, seine Pläne zu ändern, aber es war ein Trugschluss zu glauben, Angelo Malafonte wäre tatsächlich in Sicherheit. Oder sie selbst. Nervös sah sich Clara um. Niemand Verdächtiges war zu sehen, die Autos fuhren vorbei. Wo war Barletta? Was führte er im Schilde? Clara begann unruhig, auf dem Bürgersteig auf und ab zu gehen und nach dem Taxi Ausschau zu halten. Womöglich hatte sie etwas übersehen? Gab es etwas, was sie noch hätte beachten müssen? Doch sosehr sie sich das Gehirn zermarterte, es fiel ihr nichts ein, was sie hätte anders machen können.
Endlich schlängelte sich ein cremefarbener Wagen mit einem Taxischild auf dem Dach durch den Verkehr und hielt vor ihr am Straßenrand. Erleichtert stieg sie ein und nannte dem Fahrer die Adresse ihrer Kanzlei. Als sich das Auto wieder in den fahrenden Verkehr einordnete, drehte sich Clara um und warf einen Blick zurück. Und da sah sie ihn. Aus einer Querstraße hinter dem weitläufigen Gefängnisbau bog ein schwarzes Motorrad in die Stadelheimer Straße ein und folgte ihnen. Es wechselte die Spur, wenn das Taxi dies tat, bog mit ihnen ab und achtete dabei sorgfältig darauf, den Abstand zu ihnen nicht zu verändern. Erst als das Taxi die Isar überquerte und in die Straße einbog, die zur Kanzlei führte, fuhr das Motorrad geradeaus weiter. Kreidebleich sank Clara in den Sitz zurück. Was um alles in der Welt sollte sie nur tun?
Am Wochenende nahm Claras Unruhe immer mehr zu. Vergeblich versuchte sie sich zu beruhigen, indem
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