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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Leute. Er wusste auch, dass er dahintersteckte und dennoch nie jemand für die Tat zur Verantwortung gezogen wurde. Das alles und noch einiges mehr hatte er von seiner Großmutter erfahren. Doch er verstand es nicht. Warum war das alles so? Warum musste er hier leben, an einem Ort, an dem Verbrecher so etwas ungestraft tun konnten? Warum waren diese Menschen so geworden? Und warum war sein Vater anders gewesen? Wo hatten er und die nonna ihren Mut her, und wie schaffte es die nonna , so weiterzuleben? Bis letztes Jahr, hatte er darüber nicht so sehr nachgedacht. Doch dann war diese andere Geschichte passiert, und nichts war mehr so wie früher. Sein Vater war in seine Träume zurückgekommen, und Filippo sah ihn Nacht für Nacht vor sich. »Zerfetzt und in Stücke gerissen«. Er wünschte jetzt, er hätte damals diese Zeitungen nie zu Gesicht bekommen. Vielleicht hätte er dann alles besser überstanden? Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass nichts und niemand ihm hätte helfen können, so etwas gut zu überstehen. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch lebte, und dafür musste er dankbar sein. Doch er konnte es nicht. Nacht für Nacht quälten ihn die Bilder, und auch bei Tageslicht war nichts mehr so wie zuvor. Und daher war die Idee, die er seit jenem Tag in seinem Kopf versteckt gehalten hatte, langsam zu einem Entschluss herangereift, von dem ihn jetzt niemand mehr abbringen konnte. Nicht einmal seine nonna . Gerade sie nicht.
    Sie wusste es auch. Und trotzdem machte sie einen letzten, verzweifelten Versuch. Sie nahm seine Hand. Filippo spürte, wie kalt ihre Finger waren. Die Baronessa zögerte, denn was sie jetzt sagen würde, war ihr letzter Trumpf. Ein unwürdiger Erpressungsversuch, doch sie musste es tun. Um ihrer selbst willen und um Filippos willen.
    »Ich kämpfe seit über vierzig Jahren. Kannst du dir vorstellen, was für eine Kraft man dazu benötigt?«
    Filippo nickte.
    Sie fuhr fort: »Meine Familie hat mir diese Kraft gegeben, und jetzt bist nur noch du übrig.«
    Filippo sagte nichts.
    Sie seufzte. Doch er kam ihr nicht entgegen. Und schließlich sprach sie es aus: »Wenn sie dich auch noch töten, dann habe ich keine Kraft mehr. Dann gebe ich auf.«
    »Nein.« Filippo war aufgesprungen und schüttelte die Hand seiner Großmutter ab. »Verstehst du nicht? Wenn ich es nicht tue, dann war dein Kampf umsonst!«
    Die Baronessa schloss die Augen. Sie dachte an ihren Mann und ihren Sohn und dessen Frau, die mit der Zeit immer durchsichtiger geworden war, bis sie schließlich eines Tages verschwunden war. Und sie dachte daran, dass sie, die ihm Zeit ihres Lebens getrotzt hatte, doch längst besiegt war. Zu einer Strafe verurteilt, die lebenslänglich währte. Das ist seine Stärke, dachte sie bitter. Er findet für jeden die passende Bestrafung. Und sie würde die Bestrafung, die er für ihren Enkel finden würde, nicht verhindern können. Sie hatte ihn auch letztes Jahr nicht beschützen können, niemanden hatte sie jemals beschützen können. Und war es nicht ohnehin zu spät? Filippo trug sein Kreuz ja längst schon mit sich herum. Wer war sie, ihm Vorschriften machen zu können? Sie konnte ihm nicht das nehmen, was sie die ganzen Jahre am Leben erhalten hatte.
     
    Als sie ihre Augen wieder öffnete, stand Filippo noch immer vor ihr. Sein Blick war trotzig und bittend zugleich. Er wurde seinem Vater immer ähnlicher, bald würde er sein Ebenbild sein. Falls er noch so lange lebte. Sie nahm noch einmal zögernd seine Hand, und er ließ sie gewähren.
    »Du hast recht Filippo«, sagte sie schließlich. »Du musst tun, was du für richtig hältst.« Und sie sah den Triumph in seinen Augen und die Entschlossenheit, die ihn plötzlich viel älter wirken ließ als die siebzehn Jahre, die er war.
     

MÜNCHEN
    Clara saß in ihrem Büro und hörte den umständlichen Erklärungen ihres Gegenübers zu. Ein kleiner, schmaler Mann mit roten Händen und einem abgetragenen Strickjanker mit Hirschhornknöpfen. Er erzählte ihr gerade, wie er seinen Geldbeutel verloren hatte mit all seinem Geld und er daher nichts zu essen hatte kaufen können. Mit verschleiertem Blick streckte er ihr seine roten Hände entgegen. »Ein paar Mark nur, der Tag is’ noch so lang.«
    »Euro, Erwin, Euro!« Clara seufzte. »Nein, du hast dein Geld für diese Woche schon bekommen. Es gibt nicht mehr.«
    Das Gesicht von Erwin verdüsterte sich. »Ich hab Hunger un’ nix zum Essen. Ist das eine Art!« Er begann zu

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