Das Gesetz Der Woelfe
war. Er wusste nicht, ob er Mimmo vertrauen konnte. Er wollte es gar nicht wissen, doch er glaubte zu ahnen, dass Mimmo sich verantwortlich fühlte, egal ob er es tatsächlich war oder nicht. Und diesen Umstand wollte Filippo sich zunutze machen.
Als hätte Mimmo Battaglia seine Gedanken erraten, stellte er die entscheidende Frage: »Warum kommst du damit zu mir?«
»Weil du es ihm schuldig bist«, antwortete Filippo wie aus der Pistole geschossen.
Mimmo lachte bitter auf. »So, glaubst du das? Glaubst du tatsächlich, dass ich deinem Vater irgendetwas schuldig bin, nur weil ich lebe und er tot ist?«
Filippo spürte, wie ihm übel wurde. Er hatte dieses Treffen seit Wochen geplant, er durfte jetzt nicht schwach werden. Er durfte sich jetzt nicht mit Mimmo auf eine Diskussion über seinen Vater einlassen. Alles, nur das nicht. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch es gelang ihm nicht. Glücklicherweise sah Mimmo ihn nicht an. Er starrte auf seine Hände, die vor ihm auf der Schreibtischplatte lagen.
Dann schaffte Filippo es doch noch, seinen Wörtern die notwendigen Töne mit auf den Weg zu geben: »Du bist nicht nur am Leben, Mimmo. Du bist noch immer hier. Du schreibst immer noch.« Es fiel ihm nicht schwer, dem Wort »schreiben« so viel Verachtung wie nur möglich beizumischen, und es kam an bei Mimmo Battaglia. Er zuckte zusammen.
»Schreib also für mich. Nicht für meinen Vater. Für mich.«
Nach einer langen Pause, in der Mimmo sichtlich mit sich und so manchem Dämon im Hinterhalt kämpfte, nickte er am Ende: »Also gut. Ich werde kommen.«
Filippo gestattete sich kein Lächeln. »Danke.«
»Wann soll das Ganze beginnen?«
»Am Fest der Strega .«
Mimmos Lippen kräuselten sich. »Die Frühlingshexe. Da werden alle in San Sebastiano auf den Beinen sein. Keiner wird dich übersehen.«
Filippo nickte und stand auf: »Richtig. Niemand wird mich übersehen können.« Mimmo erhob sich ebenfalls. Doch bevor er sich von ihm verabschieden konnte, unterbrach ihn Filippo noch einmal: »Da ist noch etwas.«
Battaglia sah Filippo misstrauisch an. »Und das wäre?«, fragte er langsam und ging wieder einen Schritt zurück, ohne sich jedoch zu setzen.
Filippo sah ihm fest in die Augen und hoffte, seine Stimme würde nicht doch noch zu zittern anfangen: »Die Kamera meines Vaters. Ich weiß, dass du sie noch hast. Ich möchte sie.«
Mimmo wollte etwas einwenden, besann sich jedoch offenbar anders. Müde strich er sich über seine wolligen Haare und nickte. »Natürlich.« Er brauchte nicht lange zu suchen. Selbst nach sieben Jahren wusste er noch genau, wo sie lag. Er ging hinüber zu dem Wandschrank und öffnete das unterste Fach. Er holte den Fotoapparat heraus und reichte ihn Filippo, der fast ehrfürchtig die Hände danach ausstreckte. Es war eine Spiegelreflexkamera, noch mechanisch, mit einem Rädchen an der Seite und einem großen, starken Objektiv.
»Ich habe sie nicht angerührt«, sagte Mimmo. Dass er es nicht einmal ertrug, sie anzusehen und deswegen vermieden hatte, sich dem Fach, in dem sie die ganzen Jahre gelegen hatte, auch nur zu nähern, geschweige denn, es zu öffnen, erwähnte er nicht. Filippo packte die Kamera in seinen Rucksack. Er würde sie zuhause eingehend betrachten, befühlen und lernen, die Bilder zu machen, die er noch machen musste. Er schüttelte Mimmo Battaglia zum Abschied nicht die Hand, und der ehemalige Freund seines Vaters schien es auch nicht zu erwarten. Sie nickten sich zu, und Filippo verließ das Büro in der Hoffnung, es nie wieder betreten zu müssen.
Seine Großmutter erwartete ihn in der Küche. Stumm saß sie an dem großen leeren Holztisch und fixierte ihn mit ihrem üblichen forschenden Blick. »Wo bist du gewesen?« Ihre Stimme klang weniger scharf als sonst bei solchen Anlässen, eher ein wenig traurig, resigniert.
»Unterwegs.« Filippo zog seine Schuhe aus und goss sich ein Glas Leitungswasser ein. Es war ein heißer Tag geworden, fast schon ein Sommertag. In der Küche roch es nach Speck und Gebratenem, und Filippo hob den Deckel der Kasserolle auf dem Herd. »Mmmh, involtini. « Er holte einen Teller, tat sich eine gewaltige Portion der noch warmen kleinen Rouladen auf und setzte sich zu seiner nonna an den Tisch. Mit großem Appetit begann er zu essen. Seine Großmutter wartete, und als klar war, dass er keine weiteren Auskünfte geben würde, stand sie auf und ging ans Fenster.
»Der Sommer kommt früh in diesem Jahr.«
»Ja, nonna
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