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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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    »Er wird heiß werden, heiß und trocken.«
    »Wie letztes Jahr, nonna .«
    »Nein, mein Junge, nicht so wie letztes Jahr. Ganz und gar nicht.« Sie drehte sich um und ging hinaus. Im Vorbeigehen strich sie Filippo flüchtig über die Haare, wie sie es früher immer gemacht hatte, als er noch klein und sein Kopf voller Locken gewesen war. Für Filippo fühlte es sich an wie ein Abschied, und als er allein in der Küche zurückblieb, spürte er, dass sich etwas verändert hatte. Etwas Entscheidendes. Als ob er von einer Minute auf die andere erwachsen geworden wäre. Und er wusste nicht, ob er froh darüber war oder traurig. Doch eines war ihm klar: Es hatte begonnen.
     

MÜNCHEN
    Willi stand in Claras unordentlicher kleiner Küche und kochte Tee. Etwas Besseres fiel ihm im Augenblick nicht ein. Clara hatte während der Fahrt kein Wort gesprochen. Sie hatte auf dem Beifahrersitz gesessen und stumm aus dem Fenster geblickt, während sich schiefergraue Wolken über der Stadt zu einem ersten Frühlingsgewitter zusammenzogen. Es fing zu regnen an, als Willi in den Hinterhof von Claras Wohnblock einbog und dort parkte. Einzelne dicke Tropfen klatschten wie Hagelkörner auf die Windschutzscheibe, und als es blitzte und gleich darauf bedrohlich nah donnerte, jaulte Elise, die panische Angst vor Gewittern hatte, auf und versuchte, sich zwischen der Rückbank und der Lehne des Vordersitzes zu verkriechen, was ihr angesichts ihrer Größe nur unzureichend gelang: Den langen kräftigen Schwanz zitternd zwischen die Beine geklemmt, ragte ihr Hinterteil noch ungeschützt nach oben, als ein zweiter Donner sie erneut aufjaulen ließ.
    Clara legte eine Hand auf Willis Arm und bat ihn, noch heraufzukommen. Willi, der dies ohnehin vorgehabt hatte, nickte. »Natürlich.«
    Als sie Claras Wohnungstür aufgeschlossen hatten, spurtete Elise im Schweinsgalopp und mit eingezogenem Schwanz an den beiden vorbei und sprang mit einem Satz in Claras Bett, aus ihrer Sicht der einzige sichere Ort gegen die wütenden Naturgewalten. Während Clara mit einem entschuldigenden Lächeln im Bad verschwand und Elise unter der Bettdecke zitterte, stand Willi zunächst unschlüssig im Wohnzimmer herum und betrachtete den Kastanienbaum vor dem Fenster, den der Wind schüttelte und gegen die Scheiben presste. Dann ging Willi in die Küche, um sich irgendwie nützlich zu machen.
    Später saßen sie beide auf der großen braunen Couch und tranken das starke Gebräu, das Willi aus dem Tee, den er in einer der verstaubten Dosen auf einem Regal in der Küche entdeckt hatte, zubereitet hatte. Clara hatte gelächelt, als sie aus der Dusche kam und ihr Blick auf die geöffnete Blechdose fiel. Willi wusste zwar nicht, warum, aber er wertete es als gutes Zeichen.
    »Dieser Tee ist gut fünfzehn Jahre alt«, sagte sie jetzt grinsend zwischen zwei Schlucken. »Wie guter Whiskey.«
    »Oh.« Willi machte ein bestürztes Gesicht. »Schätze, du bist keine große Teetrinkerin?«
    »Nur bei besonderen Gelegenheiten«, gab Clara zurück, noch immer ein Lächeln in ihren Augen.
    Willi atmete innerlich auf. Egal, was Clara heute Nachmittag passiert war, die Eindrücke schienen allmählich zu verblassen. Er schwieg abwartend, nippte an seinem Tee und fand ihn abscheulich. Draußen hatte der Wind aufgehört, und der Donner grollte nur noch weit entfernt.
    Clara warf einen Blick zum Fenster: »Das Gewitter verzieht sich. Wahrscheinlich wird es morgen wieder schön. Oder es schneit, es kann auch im April noch schneien, nicht wahr?« Sie stellte ihre Tasse auf den Boden und zündete sich eine Zigarette an. Willi bemerkte, dass ihre Hände noch immer zitterten. Sie vermied es hartnäckig, ihn anzusehen.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    Clara wandte den Kopf ab. Sie wollte nicht daran denken. Nichts war passiert. Wenn sie diese verdammte Platzangst nicht hätte, dann hätte sie diesem Arsch eine gescheuert, und alles wäre gut gewesen. Nichts war passiert.
    Doch das war nicht wahr. Etwas in ihr war erschüttert worden. Das Vertrauen in ihre eigene Unversehrtheit, ihre Unantastbarkeit war zerstört. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte einer ihrer Fälle, mit denen sie sich beschäftigte, seine Finger nach ihr ausgestreckt, hatte sie selbst berührt. Angriffe, die ihr als Anwältin galten, regten sie mitunter auf, verletzten sie auch, wenn sie unfair waren, aber sie trafen nicht ihr Innerstes. Heute hatte etwas Clara Niklas selbst getroffen. Und das nicht zufällig, sondern mit

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