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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Erfahrung. Gerade als sich die Türen schließen wollten, zwängte sich in letzter Sekunde noch ein Mann herein und blieb hinter ihr stehen. Sie drehte den Kopf nicht nach ihm um, hoffte nur, er würde ihr nicht so nahe kommen, dass sie sich berührten. Während der Zug mit einem Ruck anfuhr, hielt sie die Augen auf den Boden vor ihr in der Ecke gerichtet und versuchte, ruhig zu atmen und nicht daran zu denken, mit wie vielen Menschen sie in dieser engen Röhre tief unter der Erde eingepfercht war. Zwischen ihren Schulterblättern sammelte sich der Schweiß, und sie verstärkte den Griff um die Haltestange. Der Mann hinter ihr stolperte und rempelte sie an. Sie zuckte zusammen. Wartete auf eine Entschuldigung, die nicht kam. Wartete darauf, dass er sich zurückzog, was er nicht tat. Er blieb an ihren Rücken gelehnt stehen. Sie roch Rasierwasser und Tabakrauch und spürte seinen warmen Atem in ihrem Nacken. Dann kam er noch einen Schritt auf sie zu und presste sie plötzlich mit seinem ganzen Gewicht in die Ecke. Clara erstarrte, als sie seine Hände an ihren Beinen spürte. Langsam wanderten sie nach oben, strichen über ihren Po, ihre Hüften, drückten ihre Brüste. Sie wollte sich umdrehen und dem unverschämten Flegel eine scheuern, doch sie konnte nichts dergleichen tun. Sie war wie gelähmt. Hilflos fühlte sie jetzt, wie der Mann sich noch dichter an sie drängte und sich an ihr zu reiben begann, spürte eine Hand zwischen ihren Beinen. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie war nicht in der Lage, sie abzuwischen. Sah es denn niemand? Warum riss ihn niemand weg von ihr? Sie öffnete den Mund, um zu schreien, aber es kam nur ein heiseres Krächzen heraus, das niemand hörte. Im gleichen Moment verlangsamte der Zug die Geschwindigkeit, und sie fuhren in den nächsten Bahnhof ein. Die Hände des Mannes lösten sich aufreizend langsam von ihr. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, und in dem Moment, als die Türe sich öffnete, war er verschwunden.
    Als der Zug wieder anfuhr, stand Clara noch immer am gleichen Fleck, die Hand so fest um die Haltestange gekrallt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Dann, plötzlich lösten sich die Finger einer nach dem anderen, und Clara sank lautlos in die Knie, wie in Zeitlupe. Sie hörte noch den Aufschrei einer Frau neben ihr, dann war Stille.
    Als Clara wieder zu sich kam, stand eine Menge Menschen um sie herum und sah sie besorgt an. Neben ihr kniete eine junge Frau und hielt ihr eine Flasche Wasser vors Gesicht. »Sind Sie auch schwanger?«, meinte sie mitfühlend, und Clara gewahrte den beträchtlich gewölbten Bauch der Frau. Unpassenderweise löste dieses Frage bei Clara ein völlig unmotiviertes hysterisches Kichern aus, und sie nahm schnell einen Schluck aus der Wasserflasche. Dann schüttelte sie den Kopf: »Nein, ich bin nicht schwanger, es … es geht schon wieder.« Unbeholfen rappelte sie sich auf und ignorierte die Sternchen, die bei dieser Bewegung vor ihren Augen zu flimmern begannen. »Ich muss nur hier raus!« Während sie dies sagte, spürte sie die Panik zurückkehren und beeilte sich, sich irgendwo festzuhalten. Ein Mann nahm sie am Arm und führte sie aus dem wartenden Zug. In dem Moment kam ein Angestellter der U-Bahn-Gesellschaft angelaufen, ein Telefon in der Hand. »Wir rufen einen Sanitätswagen!«, rief er schon von weitem im Bemühen, Kompetenz und Reaktionsschnelle zu beweisen. Clara versuchte, sich zusammenzureißen, und schüttelte energisch den Kopf. »Nein danke. Das ist nicht nötig.« Sie ließ den Mann, der sie herausgeführt hatte, los und wehrte, jetzt, da sie wieder auf eigenen Füßen stehen konnte, noch entschiedener ab: »Ich brauche nur etwas frische Luft, danke. Vielen Dank für Ihre Mühe.« Sie drückte ihrem erstaunten Helfer die Hand, nickte dem U-Bahn-Mitarbeiter zu, der das Handy noch immer in der erhobenen Hand hielt, und stakste zittrig, aber zielstrebig davon. »Sind Sie sicher …«, rief ihr jemand nach und sie nickte noch einmal, ohne sich umzudrehen. »Ganz sicher, meine Herren, ganz sicher.« Dann hatte sie die Rolltreppe erreicht. Clara zitterte noch immer, während sie nach oben fuhr, die rechte Hand fest auf die glatte, schwarze Gummioberfläche des Handlaufs gedrückt.
     
    Willi ließ seinen Blick über die hohen Regale schweifen und überlegte, wo er das Buch, das er so dringend benötigte, hingestellt hatte. Erst letzte Woche hatte er es noch benutzt. Es konnte doch nicht verschwunden sein? Sein Blick glitt ab

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