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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Pizzeria in Angelos ehemaligem Zimmer gefunden hatte. Sie faltete es auseinander und strich das Papier glatt. Es war mürbe, mit tief eingeprägten, schmutzig braunen Faltkanten, als ob es lange Zeit in einem Geldbeutel oder in der Hosentasche herumgetragen worden wäre. Der heilige Thaddäus, Schutzpatron der ausweglosen Fälle. Hinten auf das Papier war mit Kugelschreiber etwas gekritzelt. Clara kniff die Augen zusammen, um es entziffern zu können. Die heilige Madonna beschütze dich , stand dort auf Italienisch in ungelenken, winzig kleinen, krakeligen Druckbuchstaben, die wie flimmernde Pünktchen auf und nieder tanzten, mal groß mal klein, ohne erkennbare Zusammengehörigkeit und ohne gerade Linie. Gerührt faltete Clara das kleine Bild wieder zusammen und schob es, dieses Mal sorgfältiger, in ihre Aktentasche. Sie würde es Angelo mitbringen. Egal, was passiert war, und egal, wer ihm diese Botschaft geschrieben hatte, es schien nicht viele Menschen zu geben, die sich um ihn sorgten, da konnte er jeden Beistand brauchen.
    Als sie sich an der Pforte anmeldete, dauerte es keine zwei Minuten, und der junge Beamte, der sie angerufen hatte, holte sie ab. Sein rotes Gesicht glänzte im Schein der Neonbeleuchtung, und Clara bemerkte zum ersten Mal, dass sein Hals und der Nacken von schuppigen, nässenden Flecken bedeckt waren. Tiefe, blutige Kratzer hinter den Ohren und entlang seiner Halsmuskeln verrieten etwas über den wohl unerträglichen Juckreiz, den die Schuppenflechte verursachen musste. Er nickte nur knapp und war gegenüber seinem Kollegen an der Pforte betont kurz angebunden. Die spöttische Art und Weise, wie dieser Clara vorstellte: »Die Anwältin deines Schützlings«, ließ ahnen, dass es über ihre Benachrichtigung offenbar Meinungsverschiedenheiten gegeben haben musste. Auch zeigte es, dass der Beamte anscheinend nichts über die Mandatskündigung hatte verlauten lassen. Diese beiden Details, die Clara aus dem Satz des Vollzugsbeamten herauslesen konnte, ließen den jungen von Neurodermitis geplagten Mann in einem anderen, um einiges achtenswerteren Licht erscheinen, und Clara warf ihm einen neugierigen Blick zu. Seine Augen waren ausdruckslos, und er schwieg, während er sich von dem Beamten am Schreibtisch ein Papier unterschreiben ließ, das Clara neu war. Letztes Mal hatte es diese Formalitäten nicht gegeben. Auch die Frage, ob man einen Blick in ihre Tasche werfen dürfe, und die Bitte, die Taschen des Mantels zu leeren, waren ungewöhnlich für einen Verteidigerbesuch. Clara meinte jedoch, eine stumme Warnung in dem verschlossenen Gesicht des jungen Mannes gesehen zu haben, der jetzt unruhig an der Tür stand und darauf wartete, sie zu Malafonte mitnehmen zu können, und sie verkniff sich die Fragen, die ihr auf der Zunge lagen. Schließlich war der Beamte an der Pforte zufrieden und gab ihr die Tasche und dem jungen Kollegen das unterschriebene Formular zurück.
    Beim Hinausgehen warf Clara einen Blick auf das Namensschild, das an dem Hemd ihres Begleiters angebracht war. Hase stand dort zu lesen, und Clara stellte sich vor, welchen Spötteleien der Mann in seiner Jugend wohl wegen dieses lächerlichen Namens und seiner abstoßenden Hautkrankheit ausgesetzt gewesen war. Vielleicht hatte er sich deshalb für eine Stelle im geschlossenen Vollzug entschieden, vielleicht fühlte er sich hinter hohen Mauern und in Uniform sicherer? Immerhin schien der Vollzugsdienst ihn nicht am selbstständigen Denken zu hindern.
    Er führte Clara dieses Mal nicht in das Verteidigerzimmer, sondern ging daran vorbei, den endlosen Flur entlang und bog dann nach rechts ab. Eine Tür aus Sicherheitsglas versperrte ihnen den Weg. Als er stehenblieb, um aufzuschließen fragte Clara: »Wo gehen wir hin?«
    »In den Zellentrakt«, antwortete der junge Mann und ließ sie durch die offene Tür gehen, um hinter ihr wieder sorgfältig abzuschließen. Clara war so erstaunt, dass sie ihre Angst vor verschlossenen Türen ganz vergaß. »Was ist denn eigentlich passiert?«, fragte sie.
    Der junge Beamte zögerte einen Augenblick, seine Hand fuhr unwillkürlich an seinen Hals, um sich zu kratzen, verharrte aber mitten in der Bewegung und sank wieder herab. »Ihr Mandant hat heute Morgen zu fliehen versucht«, sagte er und ging dabei rasch weiter zur nächsten Tür. Sie begegneten zwei seiner Kollegen, die ihnen entgegengeschlendert kamen und sich über irgendetwas sehr zu amüsieren schienen. Ihr Lachen klang in Claras Ohren

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