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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Angelo vor ihm und der zu erwartenden Vergeltung geflüchtet war. Nein, er war hier. Und dies hatte auch Angelo heute begriffen, als sie ihm von Barletta erzählt hatte. Das hatten seine Worte bedeutet: Il gatto bianco si è svegliato . Die Katze war erwacht, sie hatte ihn gefunden und ihre Krallen nach ihm ausgestreckt. Es ging nicht mehr darum, womöglich zurück nachhause abgeschoben zu werden. Dies war bedeutungslos geworden. Denn die Bedrohung hatte ihn längst hier in München eingeholt. Es hatte keinen Sinn zu versuchen, Angelo aus der Untersuchungshaft freizubekommen. Denn damit brachte sie ihn erst in Gefahr. Und was dies bedeutete, war ihr heute Abend bei Rita klar geworden. Und Angelo wusste es auch. Deshalb hatte er ihr Mandat gekündigt. Weil er glaubte, sie könne ihm nicht mehr helfen. Und nicht nur deshalb, sondern auch noch aus einem anderen Grund: Weil er sie schützen wollte. Und plötzlich verstand sie noch etwas, etwas, was Angelo, den sie bisher für ein wenig naiv und unbeholfen gehalten hatte, in dem Moment durchschaut hatte, in dem sie ihm Barlettas Namen nannte: Sie hatte Schutz bitter nötig.
    Clara klappte das Klavier zu, blieb jedoch sitzen, die Hände reglos auf dem glänzenden Holz. Es fiel ihr schwer, die Gedanken, die sich ihr jetzt aufdrängten, weiter zu verfolgen, den Konsequenzen tatsächlich ins Auge zu blicken: Barletta sollte Angelo töten, daran bestand für sie jetzt kein Zweifel mehr. Doch München war nicht San Sebastiano, und man konnte ihn nicht einfach auf dem Marienplatz über den Haufen schießen, ohne dass Fragen gestellt werden würden. Wer aber würde bei einem Unfall nachfragen, würde wissen wollen, weshalb er tatsächlich gestorben war? Oder wenn er einfach verschwand? Niemand würde ihn vermissen. Niemand kannte Malafonte richtig, er war fremd, allein, ohne Familie und die wenigen, die ihn kannten, die tatsächlich mehr wussten oder auch nur ahnten, würden schweigen. Doch Angelo war nicht so allein, wie Barletta es geplant hatte: Er hatte eine Anwältin, und die würde sehr wohl Fragen stellen, wenn ihm etwas passierte. Und wer konnte wissen, was Angelo ihr bereits erzählt hatte …
    Clara hörte wieder Barlettas heisere, bösartige Stimme an ihrem Ohr, und ihr Herz begann heftiger zu klopfen. Sie war Barletta im Weg. Sie durchkreuzte die Pläne dieser ominösen weißen Katze , einfach nur deshalb, weil sie da war und ihre Arbeit machte. Sie war eine Gefahr. So oder so, und das ließ sich nicht mehr ändern. Es sei denn … es sei denn, etwas oder jemand konnte sie daran hindern, Fragen zu stellen … Clara stand hastig auf und versuchte, die Angst, die sie gepackt hatte, abzuschütteln. Es war kalt im Zimmer geworden. Sie schloss das Fenster und ging wieder ruhelos auf und ab, doch die beunruhigenden Gedanken verfolgten sie unablässig, kreisten in ihrem Kopf und ließen ihr schließlich trotz der Kühle den Schweiß ausbrechen. Schließlich setzte sie sich erschöpft auf die Bettkante. Zerstreut hob sie das Kissen vom Boden auf und legte es zurück auf die Matratze. Dann kroch sie wieder unter die Decke und knipste das Licht aus. An Schlaf war jedoch nicht zu denken. Vor der Hartnäckigkeit ihres Verstandes kapitulierend, stellte sie sich schließlich der letzten Frage, die sie so aufdringlich verfolgte und die so deutlich im Raum stand, als hätte Clara sie laut ausgesprochen: Was würde Barletta tun, wenn er mit seinen Einschüchterungsversuchen scheiterte? Wie weit würde er gehen? Mit offenen Augen starrte Clara in die Dunkelheit. Sie sah Massimo Moros zur Fratze entstelltes Gesicht vor sich, und dann, wie aus dem Nichts entstand in ihrer aufgewühlten Fantasie das Bild eines italienischen Marktplatzes im Morgenlicht des 12. Februar 1984. Das Rathaus, die Kirche mit ihrer verwitterten, ehemals prächtigen Fassade und dem steinernen Portal. Ein Mann ging über den stillen Platz. Er war allein, niemand war zu sehen. Die Sohlen seiner Schuhe hallten dumpf auf den blanken, ausgetretenen Pflastersteinen. Gerade erst hatte er sich von seiner Frau verabschiedet, von seinen beiden kleinen Kindern. So wie sie sich immer verabschiedeten, jeden Tag, so, als ob es ihr letzter wäre. Heute war dieser Tag gekommen. Als der Mann sich den Stufen des Rathauses näherte, krachten Schüsse durch die morgendliche Stille. Einmal, zweimal, ein letztes Mal. Sie trafen alle den Rücken des Mannes. Er fiel lautlos zu Boden. Der Markplatz blieb genauso still zurück wie zuvor,

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