Das Gesetz Der Woelfe
Boden gelegen.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht ist es auch so, aber ich dachte, es könnte vielleicht nicht schaden, es Ihnen zu zeigen, vielleicht können Sie ja etwas damit anfangen.«
Clara hörte ihn nur noch mit halbem Ohr. Sie starrte auf das Papier und wusste, dass der aufgeweckte junge Mann recht hatte. Dieser Zettel hatte ganz sicher etwas mit Malafontes panischem Fluchtversuch zu tun. Und als Clara begann, die Tragweite dessen zu begreifen, was sie in den Händen hielt, verstand sie Angelos Panik nur zu gut.
»Verstehen Sie, was das soll?«, fragte der Beamte hoffnungsvoll, bemüht, nicht allzu neugierig zu erscheinen.
Clara nickte. »Ja.« Sie betrachtete beunruhigt die einfache Bleistiftzeichnung auf dem zerknitterten Papier. Sie stellte eine Katze dar, deren schmale Augen in dem spitzen Gesicht den Betrachter bösartig anzustarren schienen. Um das Tier herum war der Hintergrund dunkel schraffiert, so dass kein Zweifel bestand: Es sollte eine weiße Katze darstellen. Jeder, der die Zusammenhänge nicht kannte, musste dieses Stück Papier für harmlos, für eine Kinderzeichnung halten. Doch für denjenigen, der die Bedeutung verstand, war sie eine unmissverständliche Drohung. » Il gatto bianco «, murmelte sie, während sie das Papier wieder sorgfältig zusammenfaltete. Der Beamte sog aufgeregt die Luft ein: »Was haben Sie da eben gesagt? So was Ähnliches hat er auch gerufen, irgendetwas mit gatto . Was bedeutet das?«
Clara sah ihn an und schüttelte den Kopf. Wie sollte sie ihm das erklären?
»Nichts weiter«, sagte sie und reichte das Papier dem Beamten zurück: »Danke, dass Sie es mir gezeigt haben.«
Er warf ihr einen forschenden Blick zu, der besagte, dass er ihr nicht glaubte, sondern genau wusste, dass das Papier eine besondere Botschaft beinhaltete, und hob dann mit einer Mischung aus Befriedigung über seinen richtigen Riecher und Resignation, weil seine Neugier unbefriedigt bleiben sollte, die Schultern: »Behalten Sie es, ich kann eh nichts damit anfangen.«
Clara lächelte und steckte das Zettelchen in ihre Brieftasche. »Sie haben ein gutes Auge für solche Dinge. Schon mal daran gedacht, zur Kriminalpolizei zu gehen?«
Der junge Mann sah sie überrascht an, dann schien er für einen Moment über diesen Vorschlag, den Clara so leichthin gesagt hatte, ernsthaft nachzudenken. »Ich werd’s mir überlegen«, meinte er schließlich, und es klang vollkommen aufrichtig. Dann zog er endlich den Schlüssel für Malafontes Zellentür aus der Tasche. Während er ihn im Schloss herumdrehte, meinte er noch: »Er benimmt sich noch immer ziemlich merkwürdig, falls Sie Probleme bekommen sollten, rufen oder klopfen Sie einfach, ich warte hier draußen.«
Derart gewarnt trat Clara in Malafontes Zelle wie in einen Raubtierkäfig. Von Malafonte kam keinerlei Reaktion. Hinter ihr schloss sich die Tür mit einem satten Geräusch, und Clara hörte, wie sich der Schlüssel drehte. Ein leiser Schauer rann ihr den Rücken hinunter.
Clara atmete tief ein, dann ging sie einen Schritt in den Raum hinein, der so klein war, dass sie damit schon fast die Mitte erreicht hatte. Es musste eine Art Ausnüchterungszelle sein, in die sie Malafonte nach seinem Auftritt erst einmal gesteckt hatten, um ihn zu beruhigen. Die Wände waren mit grünlichen Fliesen gekachelt, und der Raum war bis auf eine Pritsche, ein Waschbecken und eine Toilette in der Ecke vollkommen leer. Oben an der Wand drang spärliches Regenwetterlicht durch das vergitterte Fenster und verlieh dem Raum einen fahlen, grün-grauen Schimmer, der die Farbe der Fliesen widerspiegelte. Malafonte saß nicht auf der Pritsche unter dem Fenster, sondern kauerte in der Ecke gegenüber am Boden. Er hatte die Beine angezogen und starrte teilnahmslos vor sich hin.
Es gab keine andere Sitzgelegenheit als das Bett, also setzte sich Clara auf die harte Kante der Pritsche und wartete.
Nach einer Weile hob Malafonte den Kopf und sah sie an. »Ich brauche keine Rechtsanwältin mehr.« Er sprach leise, fast tonlos, sein Italienisch war kaum zu verstehen.
»Oh doch, das glaube ich schon.« Clara zog den kleinen Zettel aus ihrer Brieftasche, den ihr der Beamte gegeben hatte, und begann, ihn wieder auseinanderzufalten.
Malafontes Augen weiteten sich, als er erkannte, um was es sich handelte. »Wo haben Sie das her?«, fragte er, und Clara bemerkte, dass seine Stimme etwas an Kontur gewann.
Sie lächelte, schwieg aber. Dann rückte sie zur Seite und bat:
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