Das Gesetz des Irrsinns
Aufbauarbeiten neuer Filmstudios melden, damit nominell den Beginn der Dreharbeiten – bereits kommendes Frühjahr sollen erste Neuproduktionen zur Uraufführung gelangen. Geplant sind fast ausschließlich Unterhaltungsfilme mit eleganten Herren, schönen Frauen, lösbaren Liebesproblemen. Nur ein einziges Filmprojekt signalisiert politische Verantwortung: In
Aeroporto SZ 2
soll eine Brigade der Aeronautica militare gefeiert werden, die Mussolini in kritischer Phase die Treue hielt.
Für welche Verwendung auch immer: Rohfilmmaterial ist auf der Insel gehortet und wartet darauf, sinnvoll genutzt zu werden.
Sperber wendete sich an Hinkel, der sogleich Feuer und Flamme war: Ja, so eine Sonderaktion kann nur von der SS durchgeführt werden! Wie sähe es denn aus, wenn ein Trupp des Heeres vom Markusplatz zur Insel übersetzt und Filmmaterial beschlagnahmt? Die sogenannten Verbündeten der Republik Salò sind militärisch zwar total bedeutungslos, der Duce darf aber nicht düpiert werden. Also eine Geheimaktion, durchgeführt von einem SS -Kommando, unterstützt von Spezialisten der Einbruchsabteilung der Kriminalpolizei. Natürlich muss das Ganze zweckdienlich getarnt, muss eine falsche Spur gelegt werden.
Und Hinkel, sich in Begeisterung hineinredend: Ein Schnellboot mit SS -Männern (der Geheimen Feldpolizei?) in US -Uniformen landet zu nächtlicher Stunde an der Insel, das Rohfilmmaterial wird in Beschlag genommen, ein paar US -Ausrüstungsstücke werden, wie versehentlich, im Filmdorf zurückgelassen, eventuell auch ein Blättchen mit Dank im Namen der Cinecittà zu Rom. Damit wären die Nachaufnahmen der angeordneten Leonidas-Szenen materialmäßig abgedeckt.
Ob das Unternehmen auch zur Ausführung gelangt, bleibt abzuwarten. Zwar leistet Kesselring anhaltend Widerstand gegen die zögerlich vorrückende US -Army, aber wie lange kann Mussolini in seiner Scheinresidenz von Salò noch die Stellung halten?
Sehr geehrter Reichsfilmintendant, lieber Hans Hinkel!
Verabredungsgemäß erstatte ich hiermit Bericht über das Gespräch mit Horst Caspar. Hierzu bedurfte es keiner speziellen Verabredung, ich konnte einen gemeinsamen Termin nutzen in der Akademie der Künste: gemeinsam mit weiteren Filmschaffenden waren auch wir erneut dazu ausersehen, Spezialpapier mit Leuchtfarbe zu bestreichen, offenbar zur Orientierung bei einem Ausfall von Beleuchtung in Flugzeug oder U-Boot. Nachdem wir unseren Dienst absolviert hatten, zogen wir gemeinsam zum KddK, um uns ein wenig zu wärmen, äußerlich und innerlich. Da wir schon beim Pinseln nebeneinander gesessen hatten, ergab es sich von selbst, dass wir auch am selben Tisch Platz nahmen.
Auch für ihn war und ist die seit Anfang September währende Schließung unserer Bühnen eine bittere Erfahrung. Wieder einmal schwärmte er von einer seiner Lieblingsrollen, dem Prinzen von Homburg. Kleist und Schiller als seine Leitgestirne, und er hofft inständig, dass sie bald wieder über ihm leuchten werden. Doch auch er hat sich offenbar darin dreingefunden, als Soldat an der Heimatfront zu dienen, oben auf der Filmliste stehend, drunten als Luftschutzwart tätig.
Für mich, in Strausberg an der Peripherie des Bombenkrieges wohnhaft, war es eine eindringliche Erfahrung, Horst von schauspielfernen Tätigkeiten berichten zu hören. Etwa, dass er am vergangenen Sonntag seine Luftschutzgemeinde weisungsgemäß zum Rapport antreten ließ, mit Gasmasken und Luftschutzgeräten, um erneut darauf hinzuweisen: Wer bei Fliegergefahr sein Köfferchen nimmt und abhaut, gilt als Fahnenflüchtiger und hat mit entsprechenden Folgen zu rechnen. Zudem sei er verpflichtet, der Verbreitung unsinniger Gerüchte Einhalt zu gebieten. Wahrscheinlich von Feindagenten werde neuerdings die Parole verbreitet, die Bevölkerung müsse sich künftig ab 20 Uhr auch ohne Alarm regelmäßig luftschutzmäßig verhalten. Oder das wilde Gerücht, es sei den Engländern gelungen, anfliegende V 1 -Geschosse vom Kurs auf England abzubringen und heim ins Reich zu dirigieren. Dies ›ganz einfach‹ so: Eine Spitfire steuert die dahindröhnende Flugbombe an, schiebt das Ende einer Tragfläche unter einen der Stummelflügel, ein kleiner Lupfer über das Seitensteuer, schon schwenkt die Flugbombe ab vom Kurs auf London, fliegt womöglich an England vorbei, stürzt ab in den Atlantik, oder sie wird, schlimmstenfalls, Richtung Köln oder Berlin umgeleitet.
Und dann, Nacht für Nacht, der Ernstfall. Und wie er, seiner
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