Das Gesetz des Irrsinns

Panorama des Niedergangs. Ich greife nur zwei Berichte heraus. Der erste von der Westfront (demnächst womöglich an den Hängen des Harz …).
    Der gescholtene Flugzeugführer im Rang eines Leutnants konstatierte: Immer zahlreicher in unserem Luftraum die Mustangs, immer riskanter die Luftkämpfe mit ihnen: Die P- 51 sind entschieden schneller, bedeutend wendiger. Aussicht auf Erfolg hat man nur, wenn man sie überrumpeln kann. Keine Aussicht auf einen Luftsieg, wenn vier, fünf, sechs von denen hinter einem her sind, da hilft die Wasser-Methanol-Einspritzung nur kurz, die Mustangs sind schneller, immer mehr Löcher in der Blechkiste, und es bleibt nur eins: Die FW 58 auf den Rücken legen, die Kanzelhaube lösen, sich aus der Maschine fallen lassen, hoffen, dass sich der Fallschirm öffnet und man nicht in der Luft abgeknallt wird. Harte Landung, in jeder Hinsicht. Das Nachsehen, in jeder Hinsicht … Und jetzt auch noch in Verschiss geraten, in jeder Hinsicht …
    Ein zweiter der Vergatterten, Unteroffizier, kommentierte mit einem Zitat von Rudel: Krieg ist keine Lebensversicherung. Und ein Bericht von der Feldflugplatz um Feldflugplatz zurückverlegten Ostfront (demnächst womöglich im Oderbruch). In der Schlammperiode ist Starten und Landen im Prinzip nicht möglich, weder die Me noch die FW erreichen auf der Schlammfläche die nötige Startgeschwindigkeit. Unfälle am laufenden Band, wenn trotz solcher Bedingungen der Einsatz befohlen wird. Wer den übersteht, der riskiert beim Landen den Überschlag, den Genickbruch – im Geschwader verloren so an einem einzigen Tag fünf Kameraden das Leben, gänzlich ohne Feindeinwirkung. Und im vergangenen Winter, bei zwanzig, dreißig, vierzig Grad minus, da kriegte man die Maschinen gar nicht erst gestartet, das Öl als zähflüssige Masse, da hilft letztlich nur russische Grobheit: Abdeckbleche vom Motor abnehmen, Ersatzteilwanne voll Benzin drunterstellen, brennendes Streichholz reinschmeißen, die Flammen hoch und nach fünf oder zehn Minuten startet die Maschine – falls die Isolierung von Kabeln nicht weggeschmort ist.
    Die bange Frage auch, ob die Bordwaffen funktionieren. Müssen ja vorschriftsmäßig gereinigt werden, alle beweglichen Teile geschmiert, geölt, aber auch hier: Schmierfett wird hart, Öl zähflüssig in der Kälte, da hilft nur der Tipp eines notgelandeten russischen Piloten: Waffe ausbauen, in einen Kessel mit siedendem Wasser stecken, bis alles Schmierfett, alles Öl (sofern überhaupt noch vorhanden) abgelöst ist. Aber welcher Kommodore will schon solche Russentricks zulassen?
    Endlich der Start auf mühsam freigeschaufelter Piste: schneestäubend, genickriskierend … Und kaum ist man aufgestiegen, schaltet sich ein russischer F/T-Sender auf unsere Frequenzen ein und warnt: Achtung, deutsche Piloten, unser Flieger-As Nikitsch oder Pokryschkin ist in der Luft! Ein jedes dieser (und weiterer) Flieger-Asse hat drei, vier, fünf Dutzend der Unsrigen auf dem Gewissen – die JAK s und die LAGG s sind einfach stärker, schneller, wendiger. Nur die wenigsten unserer Kameraden überleben den ersten oder zweiten Feindflug, endlos die Verlustlisten: Verunglückt, vermisst, abgeschossen … verunglückt, vermisst, abgeschossen … verunglückt, vermisst, abgeschossen …

    Zusatz: Wenn hier im hohen Hause von Jagen die Rede ist, geht es kaum um LAGG s oder Mustangs, vielmehr um Rot- oder Schwarzwild. Auch hängen nicht Do-, He- oder Me-Modelle an der Decke, hier sind allenthalben Geweihtrophäen an den Wänden befestigt, »Knochenstangen an Rosenstöcken«, dies als Acht-Ender, Zehn-Ender, Zwölf-Ender, geschossen vom Herrn über sechzigtausend Hektar Revier, horrido! Und die Geweihe in der Großen Halle scheinen zu wachsen im Flackerlicht des überdimensionierten Kamins, aus Acht-Endern werden Zehn-Ender, aus Zwölf-Endern Vierzehn-Ender, und was hier überhaupt nicht endet, das sind Jagdgeschichten, mir wird das Hirn vollgepfropft mit Jägerlatein: Einladung an einen Waidkameraden auf einen Birkhahn, Pirschgang und Pirschzeichen, ein Hahn zeigt nur seinen Stingel und sein Spiel, Schnepfenstrich und Schweißarbeit, Löseplatz und Luderplatz, es wird ein Bruch von einer Zirbe überreicht, Trittsiegel und Tropfbett, er hatte einen starken Bock in seinem Belauf, Schweißhund und Schwarzwild, abfangen und abnicken, Gescheide und Geschlinge, der alte Wisentbulle zog schnaufend den Wind ein, Fangschuss und Blattschuss, horrido, horrido!

    Hier die