Das Gesetz des Irrsinns
geplanten Unterhaltungsfilme in Farbe das Kontingent an Rohfilm entziehen (»entleihen«) und an Harlan weiterleiten. Schließlich sind zwanzig Unterhaltungsfilme für das auslaufende Geschäftsjahr 44 , das bald anlaufende Geschäftsjahr 45 geplant; in Anbetracht eines derart breiten Angebotes ließe sich der Ausgleich sicherlich rechtfertigen.
Liebeneiner: Auch wenn Unterhaltungsfilme nicht mehr soviel einbringen, weil der europäische Markt eingebrochen ist, gute Laune ist kriegswichtig, nun erst recht. Die Leute brauchen etwas, das sie aufrichtet, belebt; sie sollen das Bombenkriegselend, die Versorgungsengpässe zwischendurch mal für neunzig Minuten vergessen.
Aber müssen wirklich derart viele Unterhaltungsfilme produziert werden, im »Bunker Prag«, in den Studios Barrandov und Hostivar?! Willi Forst dreht die
Wiener Mädel
, Stemmel den
Millionär
mit Hans Moser, Willy Fritsch agiert in der
Fledermaus
des Geza von Bolvary, und wie leicht ließe sich ein weiteres Dutzend solcher Titel anführen! Da wäre bei einer der Farbfilmproduktionen durchaus mal ein Aderlass fällig, weil möglich. Oder möglich, weil fällig. Schließlich gelte der Kolberg-Film als Spitzenvorhaben; die Fertigstellung sei von dringendem Reichsinteresse.
Liebeneiner: Immer mehr Filme der Unterhaltungssparte werden, allein schon aus Kostengründen, in Schwarzweiß gedreht. Abgesehen davon müssen Rücklagen gebildet werden an Agfacolor-Rohfilmen für ein Projekt mit Vorrang – der Verfilmung von Lehárs
Lustiger Witwe
. Schließlich eins der Lieblingswerke des Führers – vor dem Krieg war er mehrfach in Aufführungen dieser Operette aller Operetten. Weil das nicht mehr möglich ist, soll ihm die Verfilmung des Werkes vom deutschen Volk geschenkt werden, rechtzeitig zum Geburtstag im April 45 . In einem der hoffentlich bis dahin wieder hergerichteten Räume der bombengeschädigten Neuen Reichskanzlei soll die Produktion dem Gratulanten in einem Kreis illustrer Gäste vorgeführt werden. Dies in der Hoffnung, fast Erwartung einer belebenden Wirkung auf den Führer, und er fühlt sich mal wieder, und sei es nur kurz, als »lustiger Reichskanzler« – hat sich ja in den ersten Jahren nach der Machtergreifung schon mal selbst so bezeichnet. Für diese Spitzenproduktion jedenfalls wird Farb-Rohfilm gehortet. Davon kann und darf nichts abgezweigt werden, nicht mal für das derzeitige Lieblingsprojekt des Doktor Goebbels.
Sperber: Auf Weisung des Führers wurde eine Division von der Hg. Nord abgezogen. Die abgekämpfte, zusätzlich vom langen Anmarsch erschöpfte, unterwegs auch noch durch Luftangriffe beeinträchtigte Truppe in weithin trauriger Verfassung. Da müssen Kampf- oder Schlachtszenen aller Voraussicht nach zwei-, dreimal gedreht werden, ohne dass ein Optimum erreicht würde. Woher den dringend benötigten Rohfilm nehmen, wenn nicht stehlen?
Warum nicht stehlen? Liebeneiner musste lachen über seinen Einwurf. Und setzte nach: Warum nicht bei den Italienern stehlen?
Ist das Ihr Ernst?
Mein voller, wenn auch nicht blutiger Ernst. Wirklich, die einzige Lösung, die mir momentan einfällt! Die Italiener sollen auf der Giudecca-Insel ein reiches Depot auch an Rohfilmen angelegt haben. Wie wärs mit beherztem Zugriff? Wenden Sie sich in der Angelegenheit vertrauensvoll an Hinkel. Die SS soll mal einen Beitrag leisten zum deutschen Filmschaffen.
Aus diesen stenographisch festgehaltenen Andeutungen im Abhörprotokoll bin ich, offen gestanden, nicht recht schlau geworden. Unsere Aufmerksamkeit ist eher auf die gefährlich wankende Oderfront und die bedrohlich rheinnahe Westfront gerichtet, weniger auf den Süden. So habe ich mich an Regierungsoberinspektor Freiherr von Radtke gewendet, bei uns zuständig für die Überwachung von Telefonaten, die in italienischer Sprache geführt werden. Auch er musste sich erst mal kundig machen, ließ von der Reichspost Anschlüsse freischalten. Einige der Erkenntnisse, Ergebnisse.
Noch bevor die Amerikaner (ein halbes Jahr ist das schon wieder her!) in Rom einrückten, wurden von der ohnehin bombengeschädigten Cinecittá sämtliche Kameras, Scheinwerfer, Tongeräte, Studiomaterialien mit Lastwagen und Flugzeugen Richtung Norden transportiert und auf der Insel Giudecca vor Venedig deponiert. Hier wurde das Cinevillagio gegründet, das Filmstudio der Italienischen Sozialen Republik unter Mussolini in Salò. In wenigen Wochen will man dem Duce den Abschluss der sechs Monate währenden
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