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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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der Posten: Andere Richtung, ihr Knallköpp, andere Richtung, da drüben, da hinten steht der Ami-Truck mit Russenstern! Dem Posten war klar: Die sind fast blind in den Panzern, der Sehschlitz sehr klein, also war Nachhilfe das Gebot der Stunde. Er mühsam raus aus dem Schneeloch, von hinten auf den Panzer geklettert, mit dem Karabinerkolben angeklopft, sich mit Gebrüll bemerkbar gemacht, bis ein Mann der Besatzung den Kopf aus der Luke steckte. Ihr bore Bellrämmele, rief der Posten, das ist die falsche Richtung, dort drüben steht der Feind! Und er zeigte mit dem Gewehrlauf die Richtung an. Und gleich runter vom Ungetüm und in das Schneeloch gerutscht und tatsächlich, es erfolgte ein Abschuss, der Panzer rollte zurück.
    Ein paar Tage später eine Nachtoffensive. Der Kriegsteilnehmer wurde imitiert. »Der Iwan, der hat geschossen und geschossen, das war so hell wie am hellen Tag jetzt. Und da kam der Schukoff mit seinen zehntausend T 34 , und da soll ich armer Hund die Front halten, in anderthalb Metern Schnee. Da hab ich mir gesagt: Leckt mich met Jewalt em Aasch, ich well no Huus. Da hab ich mich vor der Übermacht des Feindes – also, ich hab eine Absetzbewegung vollzogen, hab ein bisschen wat die Front begradigt, und kaum war ich aus der Schusszone heraus, schon war da, wie aus dem Boden gestampft, so ein Kettenhund von der Feldpolizei. Die Folge: Strafbataillon, Heimatschuss, Arm ab, Leben gerettet.«
    Darbietungen solcher Art finden in der Runde regen Beifall. Auch Geschichten von der Heimatfront.
    Techniker Steinhoff war vor der Fahrt nach Gotha noch Zeuge, wie ein neugebildeter Trupp des Volkssturms auf einem Platz in Friedrichshain die Grundausbildung erhielt: ordentlich aufreihen und militärisch grüßen. Bei einem der älteren Herren will es mit dem exakten Grüßen nicht so recht klappen. Vom einbeinigen Ausbilder zur Rede gestellt, fragte der nur: »Solln wa det fürn Eisenhauer lernen?«
    Eigentlich ein krasser Fall von Wehrkraftzersetzung, so jemand wird in der Regel standrechtlich liquidiert, der invalide Ausbilder beließ es jedoch bei einem: Halts Maul! Die Grußübung wurde abgebrochen, es erfolgte Instruktion mit der Panzerfaust.
    Einer der Alten will »dat Dingen« gar nicht erst anfassen.
    Aber was wollen Sie machen, wenn ein T 34 auf Sie zurollt und Sie haben keine Panzerfaust im Anschlag?
    »Dann halte ich den Panzer an und lass mir die Papiere zeigen.«
    Gelächter, anhaltend. Und gleich eine Geschichte (vermittelt von Tlotzeck) über das Ringen um die Heimat in Ostpreußen. Alter Mann, kalte Pfeife im Mundwinkel, belgisches Beutegewehr von 14 / 18 umgehängt, steht frierend am Straßenrand. Ein Kübelwagen hält an auf der Fahrt Richtung Westen. Ein Leutnant – drei Zivilisten an Bord, zwei von ihnen weiblich – hält an: Was treiben Sie denn noch hier?! – Ich soll russische Panzer aufhalten. – Allein? – Nein, zu zweit.
    Requisiteur Kramberg wurde ernst: Klingt alles so, als sei gegen die Sowjets kein Kraut gewachsen, Ostpreußen hin, Ostpreußen her. Die Rückführung unserer Truppen ist letztendlich dadurch bedingt, dass Rumänien und Bulgarien aus der gemeinsamen Kampffront ausgebrochen sind und sich als Hilfsvölker dem Bolschewismus zur Verfügung gestellt haben. Das ändert aber nichts an der desolaten inneren Verfassung der Roten Armee! Sein Bruder steht an der Memel, ist beteiligt an Verhören russischer Kriegsgefangener, vorrangig von Offizieren, was einem da zu Ohren kommt, ist schier unfasslich. In der Ausbildung werden die Rekruten letztlich bloß noch zur Sau gemacht. Soldaten, die aus Schützenlöchern heraus unsere Panzer bekämpfen sollen, sie werden »gebügelt«: Müssen in einem Schützenloch kauern, sich von einem eigenen Panzer überrollen lassen, müssen dann, falls nicht halb verschüttet, raus aus dem Loch, Angriff simulieren. Vielfach besoffene Ausbilder, Schindereien bis zum Kollaps. Ist oft fix und fertig, wenn er an die Front kommt, der Iwan, hat nicht genug zu fressen, ist unzulänglich gekleidet, vor allem jetzt im Winter. Flinten werden oft erst kurz vor dem Einsatz verteilt, weil sonst von Deserteuren zwar nicht ins Korn, aber in Sümpfe und Wälder geworfen. Mehr als reichlich Gründe zur Desertion! Soldaten, die sich tarnen, werden als Feiglinge beschimpft und bestraft. Ja, Tarnung gilt als Ausdruck von Feigheit.
    Typisch für die desolate Situation der Roten Armee dürfte diese Propaganda-Mär sein: Fedja raus dem Graben, Benzinflasche in der

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