Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
Vom Netzwerk:
Faust, soll einen unserer Panzer niederkämpfen, gerät, prompt von einer Kugel getroffen, mit dem Molotowcocktail in Brand, greift, lichterloh brennend, zu einer zweiten Benzinflasche, wirft sie gegen das Gitter der Motorluke, der Panzer steht schlagartig in Flammen, Fedja sackt brennend zusammen. Fraglich, ob solche Propaganda-Schoten den Kampfeswillen der Sowjetarmee noch stärken können. Genau besehen, ist der Iwan am Ende seiner Kräfte. Der durchschnittliche Fronteinsatz eines Infanteristen liegt bei drei Wochen – dann ist er schwerverwundet oder tot. Inzwischen ist die Rote Armee zum zweiten Mal komplett ersetzt worden, komplett!
    Ob das nicht eher Propaganda sei, fragte nun Meyer-Hunold. Und äußerte den Verdacht, mit solchen – im Detail vielleicht zutreffenden – Darstellungen dürfte der Feind eher verharmlost werden. Wie man überhaupt die Sowjetarmee von Anfang an unterschätzt habe. Immerhin sei die in eine unserer schönsten Heimatprovinzen eingedrungen. Erst wenn man sich den Tatsachen stelle, könne man angemessen handeln. »Und da haben wir zurzeit nur die Wahl zwischen Sieg und Untergang. Wenn Deutschland nicht, wie 1918 , schmählich kapitulieren will, was uns die Alliierten ohnehin verwehren, so müssen wir alle Kräfte aktivieren und geballt zum Einsatz bringen. Selbst wenn uns das Kriegsglück nicht mehr hold sein sollte, müssen wir entschlossen sein und bleiben, uns bis zum Letzten um den Führer zu scharen, damit wir vor der Nachwelt bestehen können.«
    Mit anderen Worten: »Und wenn alles in Trümmer fällt, wir dürfen uns nicht dem Verdacht aussetzen, wir hätten gekniffen wie unsere Väter damals; aus politisch-pädagogischen Gründen ist es absolut erforderlich, dass die Nation den Weg bis zum bitteren Ende geht.« Weiter, offenbar zitierend, zumindest klang es echohaft: »Wer sein Leben zu retten versucht, ist nach dem Urteil des Volkes dem Tode verfallen. Es gibt nur
eine
Möglichkeit, am Leben zu bleiben: die Bereitschaft, kämpfend zu sterben und damit den Sieg zu erzwingen.«
    Und er fügte hinzu, nun eher zurückgenommen: Ohne Hitler haben wir keine Zukunft. Er ist das einzige Bollwerk gegen den Bolschewismus.
    Bezeichnend für die Stimmungslage der Runde ist ein halblauter, vom Mitarbeiter deutlich vernommener Satz, der Meyer-Hunold beim Verlassen des Raumes zugeraunt wurde: Steck dir doch die Linsen in den Arsch!
    Auf Grund dieser Berichte habe ich mir vorgenommen, in meiner Eigenschaft als Reichsfilmintendant bei nächster sich bietender Gelegenheit einigen Herren dieses famosen Trüppchens den Marsch zu blasen. Werde hinweisen auf die kürzlich ergangene Anweisung von Rüstungsminister Speer bezüglich Bummelanten, Drückebergern und anderem Kroppzeug: Wer die Kriegswirtschaft schädigt, wird umgehend in ein KL eingewiesen. Dies, so werde ich hinzufügen, trifft auch zu für die Arbeit beim Außendreh von Dreigleichen. Rücksichtslose Ausmerzung asozialer Elemente! Wer in dieser Stunde der Not das Maul aufreißt, wird erschossen! Diese Botschaft dürfte verstanden werden.
    Heil Hitler! Ihr Hans Hinkel.

    Lieber Walter, offensichtlich schlägt mir etwas auf den Magen, schlägt mir zuweilen aufs Gemüt, geht mir hoffentlich nicht auch noch an die Nieren. Soweit, sagte ich mir, soll es nicht kommen, und bat Dienstherr RM um Kurzurlaub. Begründung: Muss mich um den invaliden Vater in Koblenz kümmern. Dass ich einen Abstecher nach Siegburg machen wollte, um meinen Arztonkel zu konsultieren, dies habe ich beim Antrag geschlabbert. Ich wurde mit lässiger Handbewegung freigegeben.
    Glücklicherweise konnte ich in erster Etappe ein Dienstabteil in Anspruch nehmen – alle Züge sind zweihundertprozentig ausgelastet. Reisende auf Trittbrettern, sogar auf Dächern. Wir Uniformierten skatspielend hinter herabgezogenen Rollos. Doch je weiter wir nach Westen kamen, desto größer die Verzögerungen und Verspätungen: Ein fahrplanmäßiger Anschlusszug fällt aus; ein Zug setzt sich mit zweistündiger Verspätung in Bewegung und hält an irgendeiner Zwischenstation: »Alles aussteigen!« Stunden in kaltem Wartesaal; ein Zug wird bereitgestellt und gestürmt; ungeheizte Wagen mit zerbrochenen Scheiben, erhebliche Kältegrade. Doch wie der Volksmund sagt: Besser schlecht gefahren als gut gegangen … Endlich Siegburg!
    Lange Zeit herrschte Funkstille zwischen mir und dem Onkel dort, so war die Begrüßung nicht überaus wortreich. Termin nach den Sprechstunden. Ausstrecken auf der

Weitere Kostenlose Bücher