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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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auch – ich habe ein feines Gehör, ich höre sowas heraus.
    Harlan konnte nicht leugnen, dass ihm eine gewisse Last von den Schultern genommen sei. Die Versorgungslage der Truppe sei in keinster Weise gesichert gewesen, der Schwarze Peter wurde von einer Militärbehörde der anderen zugespielt. Abgesehen davon wären die Dreharbeiten mit höchstem Risiko verbunden gewesen in Anbetracht der gegenwärtigen Luftüberlegenheit der Alliierten. Ein paar tausend Mann in tiefem Blau und leuchtendem Rot auf geschlossener Schneedecke – da hätten ein paar Jabos ein wahres Blutbad anrichten können. Also wäre man für die Dreharbeiten auf Schlechtwetterlagen angewiesen gewesen. Und dann hätte alles schnell, schnell gehn müssen. Bedrückende Aussichten – hatten ihn schlaflose Nächte gekostet.
    Aber wir blicken jetzt entschlossen nach vorn, nicht wahr, Harlan? Es geht in die Zielgerade: Schnitt und Tonmischung. Dabei behalten wir eisern den endgültigen Termin im Auge: Den zwölften Jahrestag der Machtergreifung. Dann wird unser Film die Macht ergreifen über die Herzen der Volksgenossen.

    Lieber Bor, nun wird es langsam eng, in jeder Hinsicht. Beim Terrorangriff vergangene Nacht wurde auch unsere Ausweich-Villa schwer in Mitleidenschaft gezogen. Eine Sprengbombe, unzulässig nah eingeschlagen, hat im Seitentrakt drei Räume unbrauchbar gemacht; ein Teil unserer Aktenbestände ist vernichtet.
    Weil ein Unglück ungern allein kommt, erreichen uns schlechte Nachrichten. Das bisher weithin verschonte Breslau wird von englischen Bombern zu Hunderten angeflogen; ein Teil der Dienststellen B und D, auch F, muss die Interimsräume der Flakkaserne Breslau-Hartlieb verlassen und soll in das Barackenlager der Luftwaffe in Breslau-Klettendorf umziehen. Dort draußen müssten sich unsere Leute auch erst mal wieder einrichten; dies gelte vor allem für die Funküberwachung.
    So war zu erwarten, dass unser Amtsleiter die Parole ausgab: Rückverlegung der ausgelagerten Forschungsstellen hierher nach Berlin sowie nach Süddeutschland. Was indessen Transportkapazität voraussetzt und die Zuteilung von Betriebsstoff – an beidem hapert es.
    Ein Umstand, der sich als besonders heikel erwies bei der Rückverlagerung Geheimer Reichssachen, die wir bei Nacht und Nebel in einer Villa in Herdhausen deponiert hatten. Zwanzig Mitarbeiter wurden, zumeist auf Fahrrädern, in Marsch gesetzt, um für die sichere Rückführung der Archivbestände zu sorgen.
    Fatalerweise war die Luftwaffe auch in dieser Notlage nicht in der Lage, LKW s zur Verfügung zu stellen, womöglich mit gefüllten Tanks. Davon kriegte die Gestapo Luft, Berichte wurden durchgegeben zur Prinz-Albrecht-Straße, in den nun endlich auch mal bombengeschädigten Amtssitz, und über Kaltenbrunner erfolgte ein ›kameradschaftliches‹ Hilfsangebot: Lastwagen der Waffen- SS könnten den Abtransport übernehmen. Selbst dem SD war bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, wo unsere Dokumente versteckt sind, nun wäre es offengelegt. Sind die Archivalien aber erst mal auf LKW s der SS verladen, kann sie letztlich das Fahrziel bestimmen, was wiederum zur Folge haben dürfte: Der SD übernimmt unser Geheimarchiv, damit Kontrolle und Auswertung.
    Das Angebot mussten wir dankend ablehnen: Uns stünden mittlerweile genügend Transportmittel zur Verfügung. Es handelte sich allerdings nur um zwei beschlagnahmte Heuwagen. Die Geheimen Reichssachen wurden auf sie verladen, eher: geworfen! Teils von halblahmen Gäulen gezogen, teils von unseren Leuten geschoben, erreichten die Ladungen Breslau. Im Hof der Flakkaserne versuchten Mitarbeiter, einer neuen Weisung folgend, die Geheimen Reichssachen zu verbrennen, hielten wiederholt Streichhölzer an die geballten Papiermassen, und es erwiese sich: Man war auf die Aufgabe technisch nicht vorbereitet. Vergeblich wurde von der benachbarten Pioniereinheit ein Mann mit Flammenwerfer angefordert. Die Feuerchen verglommen rasch. Immer näher das Dröhnen russischer Artillerie.
    Das wird auch bald die Berliner Luftluftluft vibrieren lassen. Bis dahin bleiben wir eisern entschlossen, im Notquartier zu verharren. Zumindest solange wir uns noch in das Telefonnetz einschleifen können. Bewundernswert, wie schnell von Kollegen der Reichspost selbst gravierende Schäden ausgebessert werden. Das sollte mal rühmend hervorgehoben werden. Mit kameradschaftlichem Gruß, Walter.

    Ergänzung des Faszikels D r G / VH : Zu berichten ist von einem als zwiespältig

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