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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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empfundenen Weihnachtsgruß des Dr. G. an Harlan im Gubener »Exil« an der Neiße. Wie der zuständige Erfasser notierte, trifft Harlan mittlerweile Vorsorge, die sieben Schneidetische rechtzeitig in Sicherheit zu bringen – Richtung Süddeutschland?
    Nach dem telefonischen Gruß ein paar Freundlichkeiten. Die Erwartungen, die er in den Film gesetzt hätte, wären auf weite Strecken erfüllt worden. Vor allem die preußischen Verteidiger von Kolberg seien vorzüglich zur Darstellung gelangt: Landsknechttypen mit Galgenhumor und Berliner Schnauze, keine Idealisten, sondern harte Burschen einfachen Geistes und Herzens. Auch Truppführer Schill, vorzüglich besetzt mit Gustav Dießl, zeichnet sich aus durch sympathische Männlichkeit: Jemand, der seinen Weg gewählt hat und unerschütterlich durchhält bis zum Sieg oder Untergang. Intensiver könnte der Geist von 1807 wohl kaum heraufbeschworen werden.
    Zu seinem Leidwesen aber lasse sich derart Positives unter dem Stichwort Schnitt nicht vermelden. Mit der Fassung, die Liebeneiner nach präzis formulierten Vorgaben und Richtlinien geliefert habe, sei er keineswegs zufrieden. Kommenden Januar würden unter seiner persönlichen Aufsicht die notwendigen Schnitte ausgeführt.
    Für einen Moment: Lücke in der Tonaufzeichnung. Dann, hörbar irritiert: Wieso und wozu schon wieder ein Umschnitt?
    Nun denken Sie mal scharf nach, Harlan! Warum wohl werde ich Einwände gegen die bisherige Schnittfassung erheben? – Wieder Schweigen im Walde? – Wenn Sie nicht selbst darauf kommen oder sich unbedingt bedeckt halten wollen, so sehe ich mich gezwungen, Ihnen in aller Klarheit zu sagen: Sie arbeiten nicht für die Marsfilm GmbH! Sie knien sich zu sehr in Kampfszenen rein! Haben einen fatalen Hang zu Schreckensszenen. Da kann ich nur sagen: Große Teile der Bevölkerung werden sich weigern, in diesen Zeitläuften einen Film mit einem Übermaß an solchen Szenen zur Kenntnis zu nehmen. Brennende Häuser, qualmende Trümmerhaufen, brandschwarze Leichen und so, das kriegen die mehr als genug zu Gesicht, damit wollen die Volksgenossen nicht auch noch im Kino konfrontiert werden. Dass ein Kavallerist vom Pferd geschossen wird und stürzt, das ist überzeugend ins Bild gesetzt, aber dass ein Reiter mit Stiefel und Sporn im Steigbügel hängen bleibt, und das durchgehende Pferd schleift ihn hinter sich her, die Schleifspur wird zur Blutspur – sehen Sie, an so einem Punkt lasse ich die Schere ansetzen. Der spektakuläre Sturz: ja. Das Mitschleifen: nein.
    Harlan deutete an, er könne nicht umhin, dem Herrn Minister freie Hand zu lassen, versuchte aber seine Konzeption plausibel zu machen. Der Film müsse einigermaßen realistisch wirken, das Publikum habe mittlerweile hinreichend gelernt, was totaler Krieg sei. Erst wenn das gezeigt werde, fände der Aufruf, der Appell, die Botschaft des Films die rechte, die erwünschte Resonanz.
    Erzählen Sie mir nichts von der Botschaft des Films! Gerade diese Botschaft stellen Sie in Frage. Die Anhäufung von Kriegsgräueln führt eher zum Defaitismus als zum Fanatismus. Und den brauchen wir, gerade jetzt! Positive Kräfte müssen geweckt, müssen belebt werden, dazu ist das Medium Film eines der mächtigsten Instrumente! Hier lasse ich mir dieses Konzept nicht verderben, verstehen Sie?! Ich habe Ihnen seinerzeit den Auftrag mit klarer Ziel- und Stoßrichtung erteilt, davon werden Sie nicht abweichen. Wenn Sie nicht in der Lage sind, das Projekt form- und fristgerecht abzuschließen, muss eben
ich
die Arbeit übernehmen. Aber noch haben Sie eine Chance, mitzuwirken an der optimalen Form des Films: Leisten Sie konstruktive Arbeit, wie sie von Ihnen erwartet wird und für die Sie weißgott reichlich genug bezahlt werden! Nach den Festtagen melden Sie sich zum Rapport mit Schnittvorschlägen, die meinen Vorgaben klar und deutlich entgegenkommen. Ich bin eisern entschlossen, den Film am zwölften Jahrestag der Machtergreifung zur Uraufführung freizugeben. Tragen Sie das in Ihren Kalender ein: 30 . Januar 1945 !

    Ich hätte am Abend des ersten Tages im neuen Jahr gern etwas Positives übermittelt von der Schorfheide zur Golotkowskybrücke, aber hier herrscht, mit Verlaub, dicke Luft.
    Das heute Morgen als Überraschungsschlag geplante Unternehmen »Bodenplatte« ist verlustreich gescheitert. RM hat etwa eintausend Flugzeuge angesetzt auf 16 Flugplätze der Alliierten in Holland, Belgien, Nordfrankreich. Auf Weisung des Führers musste die Aktion

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