Das Gesetz des Irrsinns
Porträtgemälde seiner ersten Frau Carin, der schönen Schwedin) mit geschärfter Aufmerksamkeit wahr, denn: In zwei Wochen, am 31 . Januar, soll Carinhall gesprengt werden, und zwar, durchaus stilgerecht, mit einem Bombenverbund. Der könnte einen kleinen Stadtteil flachlegen – es soll, wortwörtlich, kein Stein auf dem anderen bleiben.
Neben der Schreckensvorstellung von der Bouncing Bomb, die auf dem Döllnsee zielgenau an den Waldhof heranhüpft, gibt es ein zweites Horrorbild: Ein ranghoher russischer Offizier nimmt Carinhall in Beschlag, macht es sich auf dem dicken Sofa vor dem ausladenden Kamin bequem, greift gelegentlich zu einer der Jagdwaffen des vormaligen Hausherrn, geht hier auf Pirsch, verhält sich natürlich nicht waidgerecht, kurzum, er wildert. Auch um so etwas zu verhindern, soll der Gebäudekomplex in eine riesige Sprengfontäne verwandelt werden. Was zuvor nicht mehr in Güterwagen verladen werden kann, wird in den Luftraum gejagt. So sah ich denn auch, zu Beginn der Besprechung, den Schreibtisch mit der faustdicken Eichenholzplatte, sah die riesigen Kerzenleuchter, die holzgetäfelten Wände, das Bärenfell auf dem Boden im Fokus des Abschiedsblicks.
Dass ich meine Blicke schweifen ließ, hatte auch diesen Grund: Ich mochte RM nicht ins Gesicht schauen: leicht aufgeschwemmt, bleich, und glasig die Augen. »Es ist soweit!«, rief er mir zu, kaum, dass ich mich zurechtgerückt hatte auf dem Stuhl im Kämmerlein, »ich lass die Bombe hochgehn!« Schon fühlte ich mich in die Luft gerissen, gemeint war jedoch ein konspirativ vorbereiteter Sprengakt.
Als Auslöser der eher metaphorischen Sprengung nun aber, Du kannst es Dir schon denken, der Bericht unseres V-Manns im RMVP . Ich war in Teltow, als der hier zum Rapport antrat. Wie mir Loerzer mitteilte, wurde Folgendes aufgetischt.
Goebbels hatte sich nach dem letzten Terrorangriff durch einige (bereits von Trümmern, Leichen und Körperteilen bereinigte) Straßen kutschieren lassen, hatte mit einigen der Ausgebombten gesprochen, war entsetzt und empört über das erneute Ausmaß der Schäden, inszenierte im saalweiten Arbeitszimmer des Ministeriums einen Wutanfall: Dass feindliche Bomberströme ungehindert in das Reichsgebiet einfliegen können, wohin sie wollen, wann sie wollen, das haben wir dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe zu verdanken, diesem morphiumbenebelten Fettsack, der es in den wenigen lichten Momenten höchstens noch fertigbringt, Rotwild abzuknallen, das ihm vor die Flinte getrieben wird. In seiner unermesslichen Faulheit hat er die Luftwaffe total ruiniert; sie ist es nicht mehr wert, als selbständiger Wehrmachtsteil betrachtet zu werden. Höchste Zeit, dass ihn der Führer entmachtet!
Soweit, ungefähr, die Ausführungen des Reichsministers vor einem kleinen Kreis von Mitarbeitern, unter ihnen unser V-Mann. Näherungsweise wurde es RM vermittelt.
Der »dicke Hermann« kriegte einen mehr als dicken Hals. Wusste nicht, wohin mit seiner Wut, seiner Rachsucht. Bis unser V-Mann nachlegte, was den archimedischen Punkt ergab zum Ansetzen des Hebels.
Horst Caspar, dieser glänzende Darsteller des Majors Gneisenau, dieser Mann, der inmitten eines Truppenkarrees auf dem Marktplatz zu »Kolberg« vom hohen Ross herab eine flammende (Goebbels-)Rede hält zur Belebung der Verteidigungsbereitschaft der heimatlichen Stadt, des heiligen Vaterlandes und so weiter, dieser hinreißend attraktive Mann hat jüdisches Blut in sich! Ja, von der Gestapo aufgespürt und nachgewiesen: ein Vorfahr war Jude. Der genaue Anteil an jüdischem Blut lässt sich nicht bestimmen, aber es besteht zweifelsohne eine gewisse Beimischung. Dieses so oft fotografierte, sicherlich auch eindringlich gefilmte Gesicht gewinnt damit unabweislich jüdische Züge.
An diesem Punkt hakte RM ein, vorweg triumphierend: Wenn das an die Öffentlichkeit kommt, kann Humpelbeen die Rollen seines Lieblingsfilms unter den Arm klemmen und sich davonstehlen. Sonst schmeißen wir ihm noch was hinterher, als Nachruf besonderer Art – hat allen Grund, auf der Hut zu sein! Josephs erste große Liebe war schließlich die kleine Jüdin Stahlherm. Stahlherm, nicht Stahlhelm. Jedenfalls seine Anka. Und promoviert hat er beim Juden Gundolf. Und jetzt der teiljüdische Caspar. Zeit, dass sowas an die Öffentlichkeit dringt. Und es
wird
an die Öffentlichkeit dringen! Es
muss
an die Öffentlichkeit dringen!
RM weiter: Natürlich muss das geschickt eingefädelt werden. Es kann und darf nicht
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