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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Liebeneiner, von Goebbels zum Professor ernannt, war Leiter der künstlerischen Abteilung der deutschen Filmakademie, Leiter der Fachschaft Film, Mitglied des Präsidialrates der Reichstheaterkammer, wurde ab 1943 Produktionschef der UFA -Filmkunst GmbH.]

    Zur Generalperspektive des Filmprojekts: Es findet eine exemplarische Konfrontation statt zwischen der vom Engländer angeführten Beduinenhorde und der regulären Truppe in den hellbraunen Uniformen der osmanischen Armee. Diese Truppe wird (im Rahmen der damaligen Allianz) sachkundig begleitet von einem Leutnant des vormaligen kaiserlichen Heeres und angeführt von einem türkischen Offizier, dem wiederum der Österreicher entscheidende Hinweise gibt, ja, der auch Anweisungen erteilt, die vorbehaltlos befolgt werden, da »Scheich Musa« nicht nur das volle Vertrauen, sondern auch den Respekt der Osmanen verdient: Ausstrahlung von Souveränität und Autorität – die »Orens« im Verlauf des Geschehens abhandenkommen wird.
    So muss es nach Lage der Dinge auch sein, will dieser Film seinen Zweck erreichen, der hier nicht weiter artikuliert werden muss, wissen wir uns doch beide in Übereinstimmung mit den Richtlinien, die Reichsminister Dr. Goebbels als Schirmherr des deutschen Filmschaffens erst kürzlich in seiner großangelegten Rede vor der RFK formuliert hat: Die Möglichkeiten umzusetzen, die im deutschen Film noch beschlossen liegen, die ungeheuren Aufgaben zu lösen, die unser damit harren. So bin ich durchdrungen von der sicheren Erwartung, dass gelingen wird, was gelingen muss: einen (weiteren) Baustein einzubringen zum Gesamtkunstwerk Tonfilm. Dies zugleich als Beitrag zur gegenwärtig proklamierten Kriegserziehung.

    Ich darf nunmehr Bericht erstatten über meinen Besuch bei Patriarch Musil in der Ostmark.
    Selbstverständlich bin ich nicht aufs Geratewohl nach Richtersdorf gefahren, ich habe mich zuvor bei lokalen Parteigenossen erkundigt, ob Musil derzeit ortsfest sei. Er lebt zurückgezogen in seiner »Villa Musa« – durchaus verständlich nach den weiträumigen Abenteuern seiner früheren Jahre. Zuweilen liest er die Messe (im Drehbuch wird ein Monsignore, ein Prälat Musil selbstverständlich mit keiner Silbe erwähnt!), er kümmert sich um seine (bäuerliche) Familie, züchtet Rosen.
    Der alte Herr (auffallend der hagere, kantige Schädel) wollte mit dem Filmprojekt erst mal nichts zu tun haben, und von Lawrence, seit mittlerweile sechs Jahren in den ewigen Jagdgründen, wollte er schon gar nichts mehr hören. Er hatte 1935 eine Art Nachruf auf ihn geschrieben, damit war das Kapitel beendet, ein für alle Mal. Etwas von der Zähigkeit und Hartnäckigkeit des »Scheich Musa« hat sich bei Musil über die Jahre hinweg erhalten. Was mir einigermaßen imponierte, jedoch fürs Erste nicht weiterhalf.
    Ich musste ihn gleichsam weichklopfen, musste ihn an seiner Ehre packen. Dies mit einem mehr als dezenten Hinweis auf seinen zwölf Jahre jüngeren Vetter, den Schriftsteller Robert Musil, der sich zur Zeit in Genf aufhalten soll, wo er gewiss versuchen wird, durch belletristische Auslandspublikationen Flagge zu zeigen. Ihm ist, wie allen Landesflüchtigen, in der Schweiz jedwede Form politischer oder auch nur öffentlicher Stellungnahme verboten, es soll indes aber Volksgenossen (wenn auch hoffentlich nicht Parteigenossen) geben, die den umfangreichen ersten Band des voluminösen Machwerks über ein eigenschaftsloses Phantom weiterreichen oder auch eine Internatserzählung, bei der ich mir die Mühe ersparen kann, nach dem Titel zu fahnden – irgendwas mit Zögling Soundso. Ich deutete dem alten Herrn an: Durch Mitarbeit, zumindest durch gelegentliche Beratung bei der Ausführung des Filmprojekts könne er den durch seinen Vetter befleckten Familiennamen wieder reinwaschen.
    Das zeigte Wirkung. Der Sprachbann, den sich Alois Musil auferlegt hatte, löste sich allmählich. Dies vor allem, als ich ihm eine Karte (fast im Maßstab einer Generalstabskarte) der Arabischen Halbinsel (einschließlich Syrien) vorlegte, eine Karte, die allein schon wegen ihrer Abmessungen und der oft zeichenlosen Flächen einen Eindruck vermittelte von der erhabenen Leere, die in Libyen sicherlich angemessene Entsprechung finden wird. Nur wenige arabische Namen hier und dort, Wadis und kleine Höhenzüge – dominierend der Eindruck einer ungeheuren Weiträumigkeit.
    Der Patriarch war von der Karte nicht mehr wegzureißen, schließlich ist es auch ihm zu verdanken, dass solch

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