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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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sofern Scheich – ein Grammophon aufstellen im »Haus aus Ziegenhaar«, und es werden Platten aufgelegt.
    Und gleich wieder: Musil in der Wüste Nefud, auf dem Weg zur Bahnstation Al Ula im Hedschas.

    »Scheich Musa« hält bei der Suche nach einer neuen Wüstenpflanze den Blick auf den Boden gerichtet, verliert die Umgebung aus den Augen. Die aber hält Reinartz offen, sieht in der Ferne eine Staubwolke, aufgewirbelt, sieht Reiter näherkommen, erkennt, dass es sich um einen der notorisch räuberischen Trupps handelt, die man sich in der Nefudwüste tunlichst vom Leibe hält, will man nicht – seines Hab und Guts beraubt, dazu noch geschlagen, getreten, womöglich verwundet – in Unterhosen den Weg durch die Wüste fortsetzen; für räuberische Beduinen ist es Zeichen des Sieges, ja des Triumphs, Kleidungsstücke des Besiegten anzulegen.
    Ein kleines, halblautes »Achtung!« genügt indes, um Musil zu alarmieren. Sofort übernimmt er sein Gewehr, die Männer gehen an einer Hügelflanke in Deckung, schon werden sie von Beduinen beschossen. Nun zeigt vor allem Reinartz, was Lawrence an einem deutschen Trupp so sehr bewundert hat: die ruhige Souveränität, mit der rasch und zielgerichtet gehandelt wird, ohne das beduinenübliche Durcheinanderschreien. Kurze, gemurmelte Verständigung, und die beiden Männer eröffnen das Feuer – Schüsse, die ihre Ziele und damit ihre Wirkung nicht verfehlen. Der Reitertrupp stockt im Angriffsschwung, Kamele brechen in die Knie, Reiter sacken zusammen, beinah gelassen schiebt Reinartz ein weiteres Magazin in das Gewehr, reicht auch Musil ein Magazin, Schuss um Schuss wird der Räubertrupp dezimiert, ein paar Mann ergreifen die Flucht. Vor der Konfrontation an der Hedschasbahn die einzige Szene, in der Waffen sprechen. Wie nebenbei dokumentiert sich hier Waffenbrüderschaft zwischen dem Mann aus der heutigen Ostmark und dem Mann aus Westfalen – Feuertaufe des Vertrauens, das sich bewähren wird.
    Die Waffenbrüderschaft wird gefeiert, auf überraschende (und bezeugte!) Weise: Wieder beim Reitertrupp, zieht Musil aus dem Reisebündel eine kleine Flasche Champagner hervor, mitgeführt für besondere Anlässe – und dies ist ein besonderer Anlass! Zwar reichlich warm, der Schampus, doch in der Wüste eine kostbare Rarität. Wechselseitige Prostrufe. Die lagernden Kamelreiter staunen. Musil und Reinartz gönnen sich was, ausnahmsweise. Im lockeren Gespräch wird erkennbar, dass Musil zwei weitere Fläschchen im Gepäck mitführt, wie stets bei seinen Expeditionen: Wenn es was zu feiern gibt, soll es auch gefeiert werden, prost.

    Lawrence auf der Fahrt vom Roten Meer ostwärts, zum Hedschas. Er wird mitgenommen in einem Rolls-Royce Armored Car. Dieses gepanzerte Auto wird sich relativ leicht nachbauen lassen, auf der Basis eines der Kübelwagen des Nordafrikakorps: »Stahlplatten«, Panzerglasscheiben; am Heck des Wagens aufgehuckt ein MG . Auf einer kilometerweit ebenen Fläche, wie sie sich in der Libyschen Wüste sicherlich leicht finden lässt, will Orens möglichst schnell gefahren werden – rauschhafte Lust an Geschwindigkeit. »Schneller«, schreit er, »schneller, schneller!« Er wird nicht nur von kleinen Unebenheiten des Bodens im hartgefederten Wagen hochgewippt, er scheint auch, simultan mit den Begeisterungsschreien, emporzuhüpfen – nun sichtlich als »sensationeller Knirps«, wie es schon mal hieß, als »bösartiger kleiner Kobold«.

    In einer Senke baut Musils Trupp Zelte auf für eine weitere Zwischennacht. »Scheich Musa« hält Wache auf sanfter Kuppe. Dabei ein Gespräch mit einem der Beduinen des Trupps; es wird selbstverständlich auf Arabisch geführt – keine Synchronisation der Sequenz, vielmehr Untertitelung. Künstlerisch zwingende Gründe!
    Der junge Araber berichtet: Auf jedem Rastplatz der Wanderung mit der Kamelherde zu neuen Weidegründen erteilte sein Vater die Anweisungen für den Bau des Zeltes. »Breitet das Haus aus!«, rief er der Familie zu. Sodann erfolgte für ihn und die kleineren Brüder die Anordnung: »Zieht die Stricke lang!« Da packte er als Kind, da packten die anderen Kinder jeweils eine der Zeltschnüre und streckten sie diagonal. Der nächste Ruf des Vaters: »Hau die Pflöcke in den Boden, ya Nasir!« Sodann sein Ruf zu den beiden Schwestern: »Zieht die Stricke richtig fest, ya Hussa, ya Wadha!« Zuletzt die Anweisung an alle: »Spannt die Zeltbahnen!«
    Ja, die Schwestern …! Ach, die Wadha …! Eigentlich hätte Nasir

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