Das Gesetz des Irrsinns
ein Kartenwerk überhaupt erstellt werden konnte; monatelang war er, in der Vorkriegszeit, vor allem in Syrien unterwegs gewesen, unter härtesten Bedingungen, und das vorrangig, um die Topographie zu erkunden und lokale Bezeichnungen auch allerkleinster Ansiedlungen gewissenhaft zu notieren: Araq el-Emir … Mudjeleiea … Deir Turmanin … Al-Shugur … Baqirha … Qasr el-Hair as-Sharqi …
Dies unter besonderer Betonung der Orte oder eher: Geländepunkte seiner Entdeckungen, Stichwort: Wüstenschlösser. Stolz zeigte er mir seinen Prachtband über das umayyadische Jagdschloss Qusair ’Amra, geriet erneut in Begeisterung über die relativ gut erhaltenen Fresken (des 8 . Jahrhunderts). Vom Topographen wie vom Archäologen wie vom Priester soll und wird im Film die Rede aber nicht sein, nicht einmal in Andeutungen. Dies wird gewährleistet durch die dramaturgische Grundkonzeption: den Verzicht auf jede Form der Rückblende.
Was vor allem mit Blick auf »Orens« von Vorteil sein wird: Auch dessen Darsteller wird nicht als Archäologe in Erscheinung treten, Ausgrabungen bei Karkemisch simulierend, obwohl es auch hier die eine oder andere Möglichkeit gäbe, sein Erscheinungsbild, nun sagen wir: zu relativieren. Ein Verzicht, der mir als Drehbuchautor nicht leichtfallen wird, bietet sich doch beispielsweise folgende Szene an: Der noch junge Lawrence während der Ausgrabungsarbeiten, und bei jedem Fundstück von Bedeutung zieht er die Pistole und schießt in die Luft – um daraufhin das Fundstück schön brav zu fotografieren, korrekt zu katalogisieren.
Irgendwann im Verlauf des Filmgeschehens wird zumindest anklingen müssen, welche Position Orens beduinenhaft »bekleidete«: Nachdem er in der Nahost-Abteilung des britischen Geheimdienstes in Kairo gearbeitet hatte, wurde der Syrien-Experte an die Westküste der Arabischen Halbinsel versetzt, als Verbindungsoffizier zu den irregulären Beduinentrupps. Er sollte den Aufstand der Araber gegen die seit Jahrhunderten regierenden, dominierenden Osmanen koordinieren – genauer: den Aufstand der Beduinen, denn die sesshaften Araber ließen sich von der Aufbruchbewegung nicht mitreißen, blieben auf Wahrung des Besitzes fixiert, arrangierten sich weiterhin mit den Osmanen.
Im Aktionsgebiet des Oberst Lawrence galt es, etwa dreißig Stämme auf das gemeinsame Ziel auszurichten: die Beendigung der Osmanen-Herrschaft. Bei den Aktionen und Kämpfen spielte das Thema Freiheit allerdings weniger eine Rolle als Hoffnung auf Beute. Fiel die nicht reich genug aus bei Feldzügen (sprich: Raubzügen), so musste Lawrence, gleichsam als Zahlmeister, mit goldenen Sovereign-Münzen nacharbeiten. Ich werde dies im Verlauf des Drehbuchs hinreichend herausstellen.
Orens kann die Beduinenstämme freilich nicht geschlossen zum Einsatz bringen, es reicht lediglich zu überfallartigen Attacken auf Streckenposten, auf kleine Garnisonen, auf Züge der Hedschasbahn. Hier muss von vornherein relativiert werden! Es blieb, letztlich, bei Nadelstichen; die Aktionen des Orens waren in keinster Weise kriegsentscheidend.
Stichwort Spielleitung: Ich darf eine Episode zwischenschalten, die vorausdeuten könnte auf eine optimale Form der Zusammenarbeit. Im Anschluss an die Tagung der Reichsfilmkammer im KddK (Sie hatten damals gleich anschließend einen Termin bei Dr. Goebbels, deshalb hole ich hier nach), beim anschließenden Kameradschaftsabend also habe ich sogleich die Gelegenheit genutzt und Liebeneiner von meinem Projekt erzählt. Einerseits eine geeignete, andrerseits nicht so sehr günstige Gelegenheit, denn wie fast immer ging es hoch her im Club, wobei Hans Albers wieder einmal stimmführend war. Als Mitglied des Präsidialbeirats konnte ich allerdings disponieren und Liebeneiner zu einem umgehend geräumten Tisch am Rande des lautstarken Geschehens lotsen – mit nachgefüllten Cognac-Schwenkern in den Händen. Ich erwähne das, um die Tonlage des Gesprächs plausibel zu machen.
Liebeneiner zeigte sich sogleich begeistert, fast beschwingt: »Effendi, du bist ein kühner Mann!« Es stellte sich heraus: Auch er zählt zu den begeisterten Lesern der Reiseerzählung
Von Bagdad nach Stambul
. Einen Film in jener Region hätte er immer schon drehen wollen! Und er rief, das Glas erhebend: Mach mir auch so viele Dialoge wie der Karl May!
Ich darauf: Sidhi, das wird sich finden.
Er wiederum: Effendi, das musst du uns garantieren. Wir wollen nicht sprachlos in der Wüste herumstehn!
Meine
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