Das Gesetz des Irrsinns
Kameradschaftsclub der deutschen Künstler ist etliche Zeit verstrichen, und so werden sich bei Ihnen zwischenzeitlich gewiss 1001 neue Gesprächskontakte ergeben haben. Was Sie damals beim Glas Wein andeuteten, hat Eindruck hinterlassen: Wie gering die Zeitdeputate sind, über die Sie noch disponieren können – was eventuell auch zutreffen dürfte mit Blick auf die Lektüre des hier vorgelegten Textkonvoluts. Mein erster, mündlicher Vorschlag dürfte in Anbetracht der Dauerbelastung Ihrer Erinnerung vielleicht ein wenig in den Hintergrund gerückt sein, also rasch ein paar Stichworte.
Während Hans Albers mal wieder mächtig aus sich herausging auf Paloma-Kurs, während Peter Kreuder wieder einmal Remedur machte (»Und noch ein und noch ein und noch ein Erfolgsschlager mit hundertprozentig optimistischer Grundhaltung …!«), konnten wir uns an einen stilleren Tisch zurückziehen, und ich durfte in gedrängter Form meinen neuen Plan filmischer Natur vorstellen.
Womit denn der erste Schritt erfolgt war, informell, und ich darf zum nachfolgenden Schritt ansetzen, zur Vorlage der Filmerzählung, begleitet von Ergänzungen, die es leichter machen dürften, das Projekt vor Dr. Goebbels zu begründen – was nach den Auseinandersetzungen anlässlich meines Drehbuchs zum
Katte
-Film einigermaßen angebracht sein dürfte.
[Anmerkung des Herausgebers: Ministerialrat Dr. Hippler, Obersturmbannführer der SS , Referent im Reichspropagandaministerium als Leiter der Abteilung Film, nahm routinemäßig teil an den täglichen Besprechungen im großen Sitzungssaal. Jeden Samstag- und Sonntagabend fand er sich ein im Hause Goebbels in der Göringstraße oder am Bogensee, präsentierte dem mehr oder weniger erweiterten Kreis neue und neueste Werke »deutschen Filmschaffens«. Zudem erfolgte jeden Montag die Projektion des stummen Rohschnitts der Wochenschau, zu der Hippler den geplanten Text verlas; jeden Dienstagabend sodann die Vorführung des Feinschnitts, mit der bereits unterlegten Musik und den von Goebbels zumeist revidierten Texten. Hinzu kamen Besprechungen mit dem UFA -Produktionschef über neue Exposés, neue Drehbücher.
Hanns K. Erckmann, mit diversen Preisen gefeierter Autor des Versromans
Der Stoßtrupp
, hatte nach 1933 Drehbücher verfasst, die zumeist erfolgreich umgesetzt wurden. Waren die frühen Filme noch unpolitisch (»Der erste Walzer«, »Das Liebesorakel«), so entwarf er, auf Drängen von Goebbels, mit
Katte
einen der damals beliebten Historienfilme in Sichtverbindung zu aktuellem Geschehen. Brenn- und Streitpunkt zwischen Erckmann und Goebbels war die rigide Haltung des Soldatenkönigs, der den intimen Freund seines Sohnes, des Kronprinzen Friedrich, enthaupten ließ. Während in Erckmanns Drehbuch der König als besorgter Vater dargestellt wurde, der sich zu seinem Leidwesen gezwungen sah, zum Äußersten zu greifen, um, nach damaligen Maßstäben, seinen Sohn zu retten, bestand Goebbels auf entschiedenster Konsequenz – der König indirekt als Vorbild für spätere Liquidierungskommandos.]
Nach der kurzen, jedoch intensiven Besprechung am Rande des lautstarken Geschehens im Kameradschaftsclub schlossen wir uns wieder der Runde an. Sie nahmen Ihren Platz ein an der Stirnseite des Mitteltischs und stimmten sogleich das neue Chanson der Josephine Baker an, zur Überraschung und Erheiterung der Kollegen, vor allem des (so erfolgreich komponierenden) dicken Kreuder und des (sich so gern singend produzierenden) »blonden Hans«.
Mir wurde indes, verständlicherweise meinen Gedanken nachhängend, bewusst: Das neue Projekt ist ein Balanceakt, bei dem die politischen Begleitumstände mit Fingerspitzengefühl in Erwägung zu ziehen sind, schließlich will man nicht wieder Anstoß erregen beim Herrn Propagandaminister. Wobei er vielleicht schon Bedenken äußern könnte zum Arbeitstitel, über den wir uns im KddK so rasch (wenn auch auf jederzeitigen Widerruf) verständigt hatten: »Den Musil spreng ich in die Luft!«
Ein Zitat, das ich dem (immer noch) legendären Oberst T. E. Lawrence zuschreibe, der im Film zwar nicht die Hauptrolle spielen soll, immerhin aber die Rolle des Kontrahenten unseres großen Arabienreisenden, Arabienforschers Alois Musil. Ich präzisiere: Ordentlicher Professor der biblischen Hilfswissenschaften und der arabischen Sprache an der Universität Wien; während des Ersten Weltkrieges vom Kaiser zum Generalmajor ernannt, sodann zum »Generaloberkriegsrat mit dem Titel
Weitere Kostenlose Bücher