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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Beileidsbezeugungen werden verbeten.«
    Nein, Beileid, Mitleid brauchte ich zu jenem Zeitpunkt noch nicht, alles sah erst mal gut aus. Ich wurde Vater, und das sukzessiv dreifach: zwei Mädchen, ein Junge.
    Damit sei ein Schlusspunkt gesetzt hinter die privaten Mitteilungen, auch wenn es zur einschneidenden Erfahrung wurde, dass sich Caroline einen englischen Komponisten als Hausfreund, als Geliebten erkor, der schließlich zweiter Ehemann der Kindsmutter wurde. Den Namen nenne ich nicht, setze nur Initialen ein: HHP . Und schicke, Distanz suchend, meine Gedanken wieder auf Reisen.

    Als Jungseemann war ich angeheuert auf einem Ostindiensegler nach Ceylon. Ein großes Handelsschiff, und doch herrschte Enge – alles vollgestellt, vollgepackt! Auf dem Deck, zwischen Haupt- und Fockmast: Beiboote, Bug- und Notanker; in den Stauräumen viele hundert Fässer, von denen allein sechzig bis siebzig mit Trinkwasser gefüllt waren, ebenso viele mit Sauerkraut, gepökeltem Rind- und Schweinefleisch, mit Mehl, Erbsen und Zwieback, auch mit Wein und Branntwein. Hinzu kam Steinkohle, teils als Ballast im Kielraum, teils für den Herd in der Kombüse.
    Trotz aller Vorkehrungen stellte sich auf der monatelangen Schiffsreise Skorbut ein: Zahnfleisch begann zu faulen, Zähne lockerten sich, auf der Haut bildeten sich blaue Flecken, Beine schwollen an … Nicht so bei mir! Ich verschaffte mir heimlich Zugang zu einem Sauerkrautfass; dabei war es von Vorteil, dass ich mich klein und dünn machen konnte. Alles Weitere lässt sich denken.

    Trotz aller Belastungen an Bord – Seemannsgarn wurde gesponnen. Ceylon als Insel der Affen, als Eiland der Elefanten …! Von den Affen, die allenthalben in der Hauptstadt herumturnen, hieß es, sie würden mit Einwohnern Karten spielen, selbstverständlich um Geld. Wenn sie gewinnen, so laden die Affen die Verlierer ins nächste Gasthaus ein, geben dort das gewonnene Geld gleich wieder aus, zeigen sich spendabel; sie trinken nicht nur Tee oder Kaffee, sie lassen sich auch mal ein Starkbier schmecken, am liebsten von niederländischer Brauart, zeigen auch keine Abneigung gegen Tabakwaren.
    Noch mehr wurde von den dort zahlreichen Elefanten erzählt, dressiert zur Schwerarbeit … Gefangen werden Nachwuchs-Elefanten in Fallgruben, und dabei soll Folgendes geschehen sein: Ein Elefant entdeckte seinen Sohn in einer Grube, wollte ihn mit dem Rüssel herausziehen, ließ sich dabei von Eingeborenen nicht vertreiben, jagte sie vielmehr davon mit den Stoßzähnen, versuchte weiterhin, den Sohn aus der Fallgrube zu heben. Weil das nicht gelang, füllte er die Grube mit Erde, Steinen, Stämmen, wollte den Sohn lieber begraben als versklavt sehen …

    Während der langen Reise freundete ich mich mit einem Passagier an, einem Sanitätsoffizier, auf den in Colombo eine Stelle im Spital wartete. Er ernannte mich vorab zu seinem Famulus, versprach Kost und Logis, alles Weitre werde sich zeigen.
    Colombo! Ein Mauerring, eine Festungsanlage. Zum Meer hin ist die Stadt durch Felsen und Riffs zusätzlich geschützt, landeinwärts ein weiter Wassergraben voller Krokodile. Innerhalb des Festungsrings: eine Kirche, eine Pulver-Windmühle, ein Waffenarsenal, ein weitläufiges Magazin, Umschlagplatz für Waren. Häuser wohlhabender Bürger mit Gärten, üppige Vegetation – Rhododendron, Lotus, Veilchen, Vergissmeinnicht, Orchideen, natürlich Orchideen. Ein Fischmarkt, auch für Dörrfisch, ein Markt für Leinen- und Seidenwaren, ein Markt vor allem für Obst: Avocados und Bananen, Granatäpfel und Mangos, Papayas und Passionsfrüchte, Orangen und Zitronen.
    Mein »Dienstherr« war im Spital nicht übermäßig belastet, dennoch verfiel er nicht, wie andere Männer, der Tropenlethargie oder dem Tropensuff, er begann, Pflanzen zu sammeln, zu bestimmen, zu beschreiben, zu zeichnen, für Herbarien zu präparieren. Überwiegend Pflanzen aus Gärten und landwirtschaftlich genutzten Gebieten in Colombo und Umgebung, kaum hingegen Pflanzen aus dem Innern der Insel, aus dem tropischen Regenwald, dem Urwald. Um den Sanitätsoffizier anzuspornen, fragte ich mehr als einmal, ob Präparate von Regenwaldpflanzen nicht weitaus interessanter wären – und lukrativer: in Europa ließen die sich mit Gewissheit leichter verkaufen. Je weniger der Herr Sanitätsoffizier darauf einging, desto mehr machte ich mir diesen Vorschlag zu eigen. Mich lockte das Abenteuer. Doch allein, so schien mir erst einmal, ganz allein konnte ich das Wagnis

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