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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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Schwester. Aber wo du nun da bist – sag mir doch, warum du Neudachren verlassen hast, ohne eine Anweisung von meiner Seite abzuwarten.«
    Oda berichtete kurz, was passiert war und fügte hinzu, dass seine Studien abgeschlossen seien und ihm nur noch die Abschlussprüfungen blieben, die ohnehin keine Bedeutung hätten.
    »Gut«, sagte Odavaïdar Huang; dann wandte sie sich Suvaïdar zu. »Mit welchem Recht bist du hier? Weil du ohne Erlaubnis in die Außenwelt gegangen bist, hast du dich selbst aus dem Clan ausgeschlossen. Dein Platz ist nicht mehr hier. Geh nach Niasau zu den anderen Sitabeh.«
    Suvaïdar hörte, wie Oda tief durchatmete und zu einer Erwiderung ansetzte. Doch bevor er etwas von sich geben konnte, das nicht wiedergutzumachen gewesen wäre und ihm den Zorn der Alten eingebracht hätte, sagte Suvaïdar freundlich:
    »Meine Verehrung, würdige Mutter. Es freut mich zu sehen, dass die Jahre dir nichts von deiner jugendlichen Lebendigkeit genommen haben.«
    Bei einer Person, die ein Amt innehatte, das mit Besonnenheit und Weisheit in Verbindung gebracht wurde, von »jugendlicher Lebendigkeit« zu sprechen, kam einer taktvollen Beleidigung gleich. Doch Suvaïdar hatte diese Worte mit einer Unerbittlichkeit formuliert, dass die Saz-Adaï keinen Grund finden konnte, sich beleidigt zu fühlen.
    »Ich bin auf Bitten des Rates zurückgekommen, wie du sehr gut weißt, da du ja ein Mitglied bist«, fuhr Suvaïdar fort. »Bei der nächsten Versammlung werde ich mich vorstellen und mir die Weisungen anhören, die der Rat mir erteilen möchte. Bis dahin bitte ich, Gast im Haus des Clans sein zu dürfen. Ich denke, das ist mein gutes Recht. Sollte dies nicht möglich sein, werde ich in ein Hotel der Außenwelt in Niasau gehen. Das müsste allerdings bezahlt werden. Daher bitte ich dich, mir die Summe zur Verfügung zu stellen, die ich seit meiner Abreise auf das Konto des Clans überwiesen habe, weil ich immer noch eine Huang bin, auch wenn ich im Exil gelebt habe. Sollte ich mich geirrt haben und nicht mehr zum Clan gehören, bitte ich um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten, die meine unerwünschten Zahlungen mit sich gebracht haben.«
    Suvaïdar wusste sehr gut, dass von dem Geld nicht viel übrig sein konnte. Es hatte bestimmt dazu gedient, Odas Studium und das der anderen beiden Clan-Mitglieder, die an der Universität von Neudachren eingeschrieben waren, zu finanzieren. Womöglich hatte man davon Textbücher und Kommunikatoren erworben sowie die kostbaren elektronischen Bauteile, die die Außenweltler zu horrenden Preisen verkauften.
    Suvaïdar verbeugte sich respektvoll und wartete gespannt, wie ihre Gesprächspartnerin diesen Knoten auflösen würde, ohne dabei das Gesicht zu verlieren.
    »Verschwindet!«, zischte die Alte. »Lasst euch ein Zimmer geben und Kleidung aushändigen. Verschwindet aus meinen Augen und versucht euch so zu verhalten, dass mir nichts Schlechtes über euch zu Ohren kommt.«
    Suvaïdar erhob sich auf grazile Weise und verbeugte sich respektvoll. Dann wandte sie sich Oda zu und sagte in strengem Tonfall zu ihm:
    »Shiro Adaï, hast du die Anweisung der ehrwürdigen Mutter nicht gehört?«
    Damit verließ Suvaïdar den Raum, gefolgt von Oda, dem es dank seiner lebenslang geübten Selbstbeherrschung gelang, ein Lachen zu unterdrücken.
    »Sehen wir zu, dass wir unsere Zimmer bekommen, und dann nehmen wir ein Bad.«
    Nichts hatte sich verändert, seitdem Suvaïdar das erste Mal in das Haus des Clans gekommen war. Die Verteilung der Zimmer und die der Kleidung war immer noch eine komplizierte Zeremonie. Die einzige Veränderung bestand darin, dass der alte Jori jetzt eine Assistentin hatte, die genauso kalt und distanziert war wie er selbst. Das Zimmer hätte ein Zwilling jenes Zimmers sein können, in das Suvaïdar als Jugendliche eingezogen war. Was die Kleidung betraf, konnte man zwischen den Farben Grau und Sandfarben wählen. Auf der Höhe des linken Schulterblatts und vorn auf der Brust zeigte die Tunika dieselben Clan-Symbole, die alle Huangs als Tätowierung auf dem Rücken trugen: ein weißer Kreis, in dessen Mitte sich ein schwarzes Ideogramm befand –vielleicht der Buchstabe eines Alphabets, das vor Jahrhunderten in Vergessenheit geraten war.
    Suvaïdar bat um ein Paar Sandalen für den Innenbereich, um eine Lampe und ein kurzes Messer. Dann brachte sie alles in ihr Zimmer, bevor sie zu den Bädern hinunterging. Nach einer langen, angenehm frischen Dusche stieg sie in

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