Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
Passagiere, die auf Ta-Shima an Land gehen, daran erinnern, dass dort ein endemisches Virus mit häufigen Mutationen verbreitet ist, das das Fieber von Gaia hervorruft. Es wurden sämtliche Vorkehrungsmaßnahmen getroffen, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Doch wegen der häufigen Mutationen des Stammvirus gibt es keine hundertprozentig wirksame Impfung, und eine Erkrankung nimmt in den allermeisten Fällen ein tragisches Ende. Vielen Dank und angenehmen Aufenthalt.«
Offensichtlich wussten alle von diesem Fieber, aber sie hätten es vorgezogen, nicht mit einem derartigen Nachdruck daran erinnert zu werden.
»Die obligatorische Impfung für Fremde erfolgt nach einer kurzen Quarantäne und ist in fünfundneunzig Prozent aller Fälle wirksam, zumindest was die bekannten Mutationen der vergangenen acht Monate betrifft«, fuhr wieder eine andere Stimme fort. »Die Impfung behält ihre Wirkung vier oder fünf Monate lang.Sie muss sofort erneuert werden, wenn eine neue Mutation entdeckt wird. Personen, die in den ersten drei Tagen nach der Impfung an Fieber, Erbrechen, Durchfall oder unter Migräneanfällen leiden, ist es untersagt, den Astroport zu verlassen. Fremde, die die ihnen zugewiesene Zone verlassen, tun dies auf eigene Gefahr und eigenes Risiko.«
In den dreißig Minuten, die die Desinfektion dauerte, wurde diese Meldung vier- oder fünfmal wiederholt. Dabei bediente man sich der Begriffe, die auf zwei Türen zu lesen waren: »Fremde« und »Sei-Nin«.
Die Fremden wurden ins medizinische Zentrum geleitet, die Ta-Shimoda dagegen konnten nach draußen gehen. Dort atmeten sie tief die angenehm warme, feuchte Luft ein. Das würzige Parfum der Asix, der Geruch einheimischer Pflanzen, die unweit der Ausgangstür wuchsen, die Wohlgerüche des feuchten Staubs, die in den ersten Tagen der Regenzeit so charakteristisch waren – dies alles vermischte sich zu einem äußerst angenehmen, nahezu berauschenden Duft.
Selbst Oda musste fröhlich lachen und streckte die Hand aus, um flüchtig den Stamm einer großen Daïbanpflanze zu berühren – das Maskottchen des Planeten, von dem alle Teile Verwendung fanden. Die äußeren Fasern wurden vorsichtig abgezogen, um nur diejenigen abzulösen, die bereits tot waren, ohne die anderen zu verletzen. Aus ihnen fertigte man Seile, Stiefel und Sandalen, die ein Leben lang hielten. Die Samen, die so groß wie Fäuste waren, wurden wegen ihrer Form »Daïbanblume« genannt. Sie enthielten einen Saft, der euphorisch machte und zudem wie ein Aphrodisiakum wirkte. Die langen blauen und weißen Blätter der Pflanze waren sogar roh genießbar.
Die Landschaft zeigte sich sanft und in Hunderten von Grautönen, und man konnte partout nicht feststellen, wo die Erde aufhörte und wo der Himmel begann.
Shiro und Asix machten sich zu Fuß in Richtung Stadt auf. Unterwegs hoben sie immer wieder ihr Gesicht an, um die ersten lauwarmen Regentropfen zu spüren und zu schmecken.
Tichaeris lud einige der Besatzungsmitglieder ein, sie in dieAkademie zu begleiten. Sie würde sie dort gern willkommen heißen.
»Du gehst nicht in das Haus deines Clans?«, fragte Suvaïdar erstaunt.
»Nein, ich habe mich bereits vor vielen Jahren der Akademie von Gorival anvertraut«, gab Tichaeris teilnahmslos zur Antwort. »Und jetzt habe ich die Erlaubnis erhalten, ein Jahr in Gaia zu verbringen, um dem Unterricht des Meisters zu folgen, der dort lehrt. Ich besuche die Akademie von Riodan Lal und die von Tarr Huang. Letzteren mag ich besonders, er ist wirklich ein großer Meister.«
Daher also kommt der merkwürdige Name Tichaeris, sagte sich Suvaïdar. Sie wusste, dass die Jungen, die von den Clans nicht aufgenommen wurden und die man einer Akademie anvertraute, sich stolz Beinamen gaben, die Anspielungen auf gewisse körperliche Besonderheiten oder auf eine angenommene Ähnlichkeit mit einem wilden, meist unangenehmen Tier enthielten. Ticha war in der Hochsprache der alte Ausdruck für Tica, ein übles Biest, das seine Beute angriff, indem es ihr von einem Ast oder einem Felsvorsprung auf den Rücken sprang. Tica-Aeri bedeutete »die Tochter einer Tica«.
»Tarr hat jetzt eine eigene Akademie?«, fragte Oda beeindruckt. Er kannte keinen Asix, der den Grad eines Meisters besaß und über eine eigene Akademie verfügte. »Welchen Stil unterrichtet er?«
»Alle drei. Außer dem Stil für die Debütanten lehrt er den Stil mit dem schweren Säbel, den man mit beiden Händen hält. Er unterrichtet auch das
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