Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
anderen: auf den Brustkorb, auf die Beine, dann wieder ins Gesicht. Sie hörte aus der Ferne die Stimme des Meisters:
»Erklärt sich die Beleidigte damit zufrieden?«
»Nein, Herr.«
Die Antwort hatte zweifelsfrei sie selbst gegeben, doch ihre eigene Stimme hörte sich an, als käme sie aus weiter Ferne. Dann kochte ihre Wut von Neuem hoch: Saïda, Maria Jestak, die Saz Adaï, die Außenweltler, der Kapitän, der zu den Spezialkräften gehörte und der für den Tod so vieler Asix verantwortlich war ...
Suvaïdar fühlte keinen Schmerz mehr und griff weiter an, ohne dass es ihr gelang, einen wirkungsvollen Stoß zu landen. Dennoch setzte sie ihre Gegnerin unter Druck. Mit einem Schrei, in dem aller Schmerz und alle Verbitterung der vergangenen Monate ihren Ausdruck fanden, hob Suvaïdar ihren Säbel. Kilara erwiderte mit ebensolcher Heftigkeit, allerdings weitaus präziser. Suvaïdar gelang es nicht, den Säbel aus Holz abzuwehren. Sie kassierte einen Schlag auf die Wange.
»Die Begegnung ist zu Ende«, stellte der Meister fest.
»Ich bin noch nicht zufriedengestellt«, sagte Suvaïdar keuchend.
»Ich habe gesagt, die Begegnung ist zu Ende.«
»Ay, Meister.«
Sie verbeugte sich in seine Richtung, dann in Richtung ihrer Gegnerin, ehe sie zu den Umkleideräumen ging. Mit ungeschickten Fingern wickelte sie die schweiß- und blutdurchtränkteMaske, deren Knoten ein wirres, verklebtes Durcheinander waren, vom Gesicht, zog sich aus und ging unter die Dusche. Als der Strahl eiskalten Wassers ihr Gesicht traf, zuckte sie vor Schmerz zusammen. Vorsichtig betastete sie ihre rechte Wange und fühlte dort eine lange Kerbe, die sich vom Wangenknochen bis zum Mund hinzog. Sie senkte den Blick und sah, dass Bauch und Oberschenkel von roten Linien gestreift waren, und auf dem Brustkorb waren zwei große Hämatome zu sehen.
Suvaïdars Adrenalinspiegel sank allmählich. Jetzt erst fühlte sie den Schmerz. Es war nicht so sehr das Gesicht – obwohl der Hieb zu den schlimmsten ihres Lebens gehörte –, viel heftiger waren die Schmerzen im Bauch und in der Brust. Sie blieb unter dem kalten Wasserstrahl stehen, bis die Kälte sie gefühllos machte. Dann verließ sie die Dusche, drehte den Hahn zu und tastete sich auf der Suche nach einem Handtuch mit geschlossenen Augen voran. Irgendjemand drückte ihr eines in die Hand und murmelte:
»Mit deiner Erlaubnis, Shiro Adaï.«
Sie neigte den Kopf zum Zeichen des Dankes; dann trocknete sie sich das Gesicht ab, um zu sehen, wer zu ihr gesprochen hatte, und sich zu bedanken. Sie stellte fest, dass es sich um eine Jugendliche mit langen Haaren handelte; die Geste mit dem Kopf reichte deshalb als Dank.
Suvaïdar trocknete sich gründlich ab und zog sich an, ohne weiter auf das junge Mädchen zu achten. Doch sie spürte, dass das Mädchen geblieben war und sie beobachtete, wobei sie die ganze Zeit von einem Fuß auf den anderen trat.
»Was gibt es noch?«, fragte Suvaïdar ungeduldig.
»Du blutest. Erlaubst du, dass ich ein Desinfektionsmittel auf deine Wunde sprühe und dir einen Verband anlege? Reomer hat mir gezeigt, wie das geht.«
Suvaïdar schaute das Mädchen jetzt aufmerksamer an. Ja, das war Rico, eine der beiden Töchter Saïdas. Dann konnte Lara nicht sehr weit sein. Suvaïdar drehte den Kopf. Tatsächlich, da stand sie in einigem Abstand und beobachtete sie ebenfalls.
»Habe ich auch Wunden auf dem Rücken?«, fragte sie Rico.
»Nein, Shiro Adaï, nur die Wunden im Gesicht bluten sehr stark.«
»Ich werde mich selbst behandeln. Bitte hol mir, was ich benötige.«
Lara kam schüchtern aus ihrem Versteck. In der Hand hatte sie bereits ein Fläschchen und ein Paket mit sterilen Kompressen. Suvaïdar desinfizierte die beiden Wunden und versuchte, nicht zu zittern, wenn sie mit der Flüssigkeit in Kontakt kamen. Offensichtlich benutzte man im Fechtsaal ein Desinfektionsmittel, das wie Feuer brannte. Dabei gab es mittlerweile eine Vielzahl von Produkten, die nicht schmerzten und ebenso wirksam waren.
Auf der Suche nach Kilara blickte Suvaïdar sich um. Sie sah, dass Kilara gerade mit dem Duschen fertig geworden war. Ihr schlanker Körper wies nur zwei leichte Hämatome auf, die zudem wohl auch schon älteren Datums waren.
»Jestak Adaï«, sagte Suvaïdar, »ich glaube, dass zwei meiner Wunden am Augenbrauenbogen genäht werden müssten. Könntest du das bitte machen?«
Kilara stimmte zu. Nachdem sie sich die Hose angezogen hatte, setzte Suvaïdar sich auf die
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