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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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keinen.«
    Kilara runzelte die Stirn und zögerte kurz, ehe sie sagte: »Ich rufe den Meister.«
    Ein Shiro kam zu ihnen. Er besaß eine Adlernase und hohe Wangenknochen. »Was ist?«, fragte er.
    »Die Shiro Adaï«, Kilara deutete mit einer Kopfbewegung auf ihre Gegnerin, »fordert die Blutklinge. Ich möchte Widerspruch einlegen.«
    »Welchen Einwand hast du denn?«, fragte der Meister ein wenig verächtlich. »Es ist ihr gutes Recht. Wenn du Angst hast, dich zu schlagen, solltest du niemanden herausfordern.«
    »Ich habe keine Angst, Herr – allenfalls davor, meine Gegnerin zu verletzen, denn das ist schon einmal geschehen. Ich habe die Prüfung für den sechsten Grad abgelegt und bestanden. Sie aber hat viele Jahre in der Außenwelt gelebt, sodass man sie als Anfängerin bezeichnen muss.«
    Der Meister war perplex. »Willst du damit sagen, dass du sie schon einmal verletzt hast? Um was geht es denn hier? Um eine Blutrache zwischen Clans oder um Rufschädigung?«
    »Weder das eine noch das andere, Meister. Das erste Mal war ich es, die das Duell gefordert hat, weil ich mich beleidigt fühlte, doch meine Herausforderung wurde als Unverschämtheit betrachtet. Dieses Mal ist sie es, die mich herausgefordert hat.«
    Der Mann stand ein paar Minuten schweigend da; dann stimmte er zu. »Der Einwand erscheint mir akzeptabel. Ihr werdet mit Übungswaffen kämpfen.«
    Suvaïdar stand Kilara mit ihren ausdruckslosen Augen unter der Gesichtsmaske aus Stoff gegenüber. Dieses Mal war sie nicht angetrieben von solch verwirrenden Gefühlen wie sechs Monate zuvor. Damals hatte sie sich durch die Unverschämtheit, als halbe Sitabeh bezeichnet zu werden, vor den Kopf gestoßen gefühlt. Hinzu kam die Enttäuschung darüber, dass diejenige, die sie alsFreundin betrachtet hatte, sie dafür verachtete, dass sie sechs Jahre fern von Ta-Shima bei den Fremden gelebt hatte. Außerdem hatte ihr die Angst vor der Stahlklinge zu schaffen gemacht.
    Dieses Mal jedoch wurde Suvaïdar von einer kalten, ohnmächtigen Wut gegen den Jestak-Clan angetrieben. Dieser Clan hatte Saïdas Leben wegen eines dummen, sexistischen Vorurteils gegen die Traditionen ihres Planeten in große Gefahr gebracht. Es gelang Suvaïdar nicht, dies mit jener Gleichgültigkeit zu akzeptieren, wie ihre Shiro-Artgenossen es getan hätten. Vor allem war sie auf Maria Jestak wütend, die sie von Kindheit an bewundert, ja verehrt hatte und die mittlerweile zu einer Karikatur aller Shiro-Charakterfehler geworden war.
    Unter der ausdruckslosen Maske Suvaïdars kochte die Wut – bis sie unvermittelt an die Oberfläche kam, mit der verheerenden Kraft eines Vulkanausbruchs. Diesmal gab Suvaïdar sich nicht damit zufrieden, auf die Angriffe ihrer Gegnerin zu warten, stattdessen attackierte sie selbst. Es gelang ihr sogar, Kilara mehrmals in die Defensive zu bringen. Doch der Unterschied zwischen ihnen beiden war nach wie vor riesig, und die Paraden Kilaras waren so wild und präzise, dass es sich beinahe um Attacken handelte.
    Suvaïdar fing sich einen wuchtigen Stoß in den Bauch ein, sodass sie vor Schmerz aufschrie. Sie taumelte, fing sich aber wieder. Als ihre Gegnerin, die nun ständig angriff, sich auf sie zu bewegte, gelang es Suvaïdar, Kilaras Abwehr zu durchbrechen und ihren Brustkorb mit einem peitschenden, halbkreisförmigen Schlag zu treffen. Er fiel jedoch zu schwach aus, weil Kilara ihn rechtzeitig abschirmen konnte. In einer fließenden Bewegung, eine von ihren Spezialitäten, parierte Kilara. Ihre Klinge berührte Suvaïdar am Augenbrauenbogen. Die Wunde begann sofort zu bluten. Die Verletzung war nicht schwerwiegend, aber hinderlich, weil das Blut ihr in die Augen lief, sodass sie nichts mehr sehen konnte. Sie wich ein paar Schritte zurück und behielt ihre Garde mit der rechten Hand bei, um sich mit der linken das Blut vom Gesicht zu wischen.
    Der Meister nahm seinen Säbel und stellte ihn zwischen die beiden Kämpferinnen.
    »Es ist Blut geflossen. Erklärt sich die Beleidigte damit zufrieden?«
    »Nein, Herr.«
    »Möchtest du eine kurze Pause haben, um die Wunde versorgen zu können?«
    »Nein, Herr.«
    Der Meister senkte seinen Säbel. Als dessen Spitze den Boden berührte, stieß er das rituelle »Los!« hervor.
    Von diesem Moment an war es kein Kampf mehr, sondern ein Massaker. Mit ihrem linken Auge, das halb geschlossen war, und den blutigen Wimpern war Suvaïdar nicht mehr imstande, sich richtig zu verteidigen, und kassierte einen Schlag nach dem

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