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Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)

Titel: Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Lorusso
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denjenigen, der kaum Chancen hatte, die nächsten Monate im Gesundheitszentrum zu überleben –, fing sie leise zu weinen an. Sie versuchte, sich zusammenzureißen (»Lara, eine Shiro weint nicht!«), doch schließlich zuckte sie mit den Schultern und ließ den Tränen, die über ihre Wangen rannen, freien Lauf.
    In der Nacht erreichte sie Gaia. Von diesem Moment an würde sie wieder ganz und gar eine Shiro sein, um selbst einen unausstehlichen Jori Jestak zufriedenzustellen.
    Als sie die Sümpfe hinter sich gelassen hatte, hatte sie angedockt, um etwas zu essen. Sie hatte den Motor abgebaut und sorgfältig gereinigt. Dann hatte sie ihn in den Sack gesteckt, in dem ihre Vorräte gewesen waren. Schließlich hatte sie wie verrückt gegen die Strömung angerudert, um zum Anfang des Deltas zu gelangen. Dort hatte sie den Tag über bleiben müssen, bis der Fluss wieder angestiegen war und sich in den Arm ergoss, der umgeleitet worden war, um als Reservoir aus Kanälen zu dienen. Darum herum war Gaia erbaut worden.
    Mit Abscheu schaute sie auf die Ampullen, die in ihren Händen lagen. Und sie fragte sich, ob jemand allen Ernstes glauben könnte, dass sie nur zum Vergnügen auf dem Fluss gewesen war.
    Sie dockte noch einmal an, um sich für eine oder zwei Stunden auszuruhen. Sie war so müde, dass sie wie tot auf dem Boden des Bootes einschlief. Als sie erwachte, war tiefschwarze Nacht. Ihr Gesicht war nass und kalt. Offensichtlich hatte sie geweint und es nicht bemerkt.
    Sie löste das Boot und bewegte sich stromabwärts auf die Stadt zu.
    *
    »Was hast du gemacht?«, rief Oda benommen, als sie ihm erzählte, wie sie die letzten acht Tage verbracht hatte. »Hast du völlig den Kopf verloren? Hast du eine Vorstellung, was passiert, wenn das jemand erfährt?«
    »Es wird niemand erfahren, es sei denn, du erzählst es.«
    »Und die Asix im Gesundheitszentrum?«
    »Da besteht keine Gefahr. Ich habe ihnen genau erklärt, dass es zwischen mir und Maria Jestak zu einem Duell mit den Blutklingen käme, sollten sie etwas darüber erzählen. Sie werden kein Wort sagen.«
    »Es ist schändlich, sie derart zu manipulieren.«
    »Ach ja? Und deiner Meinung nach ist es keine Schande, Reomer ganz allein dorthin zu schicken, ohne ihm zuvor erklärt zu haben, wie er sich zu verhalten habe, damit sein Kopf nicht als Dekoration in einer der Hütten der Wilden endet?«
    »Das war eine Entscheidung seines Clans, der man sich beugen muss.«
    »Das hat er auch getan. Er ist ohne ein Wort des Protests abgereist, und ich habe nichts Schlechtes getan. Hat irgendwer mich zu überzeugen versucht, dass ich das Boot nicht ausleihen darf, um damit jenseits von Sovesta herumzufahren? Hätte die Saz Adaï mich verteidigt, hätte ich es nicht getan.«
    »Das sind fadenscheinige Entschuldigungen, die deine Intelligenz beleidigen.«
    »Nein, das ist nicht wahr. Wir haben unseren Sei-Hey gegenüber eine Verpflichtung, und ich will nicht, dass Reomer etwas zustößt.«
    »Und du glaubst, du hast ihm damit einen Dienst erwiesen? Du hast seine Ehre verletzt.«
    »Dummes Zeug! Ich habe genug davon, dass du jedes Mal mit der Ehre eines Shiro daherkommst, wenn du irgendwas Stumpfsinniges rechtfertigen willst.«
    »Du bist genauso bockig wie unsere Mutter«, sagte er, doch unter seiner Kritik verbarg sich ein Hauch von Bewunderung.
    »Das ist immer noch besser, als so fanatisch wie unser Vater zu sein.«
    *
    Als sie am nächsten Tag ihren Dienst antrat, wusste sie noch nicht, welche der Ärztinnen dafür verantwortlich war, dass Saïda im Schlamassel steckte. Zwar hatte Maria letztendlich grünes Licht gegeben, doch irgendwie hegte Suvaïdar den Verdacht, dass es eine stillschweigende Übereinkunft unter den Jestaks gegeben hatte. Wahrscheinlich hatten sie einen männlichen Kollegen loswerden wollen, der ihre Routine störte und auf den sie geringschätzig herabschauten. Außerdem war er tüchtiger als so manche der Medizinerinnen, die stolz auf ihr Diplom waren, auf das ihnen ihrer Meinung nach ihre Gebärmutter das Recht verlieh.
    Suvaïdar zeigte sich allen gegenüber höflich und vermied jede Art von persönlichen Anzüglichkeiten. Wenn die eine oder andere gehofft hatte, wie bisher Suvaïdars unverblümte Meinung zu hören, kamen sie nicht auf ihre Kosten. Sie aß zwar gemeinsam mit den anderen, kehrte dann aber sofort wieder an die Arbeit zurück. War der Dienst zu Ende, blieb sie keine Sekunde länger im Lebenshaus, wie sie es sonst getan hatte. Sie übergab

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