Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
unglaublich schnell – viel schneller, als wir sie beseitigen können. Außerdem hat einer der Söhne meiner Tochter vor ein paar Tagen einen kleinen Reyo in den Feldern entdeckt. Wenn du dich auf die Erde legst und schläfst, und er fällt auf dich, könnte es gut sein, dass er dich für etwas Essbares hält. Wenn du es nicht bis zum Bauernhof schaffst, nimm den Fußweg hinter dem Wasserreservoir und halte dich rechts. Gleich hinter der Baumgruppe gibt es einen Kuhstall.«
Suvaïdar bedankte sich bei der Alten und machte sich wieder auf den Weg. Es machte ihr nichts aus, in der Nacht allein zu sein. Es war bereits eine Erleichterung, nicht den ganzen Tag lang den inquisitorischen Blicken der Mitglieder ihres Clans ausgeliefert zu sein, wenn sie an den Schmerz und die Trauer um Saïda dachte, die fest in ihrem Gedächtnis eingeschlossen waren.
Der Tod Saïdas war wie einen schweres kaltes Gewicht, das auf ihrem Herzen lag. Es musste sich so ähnlich anfühlen wiedas, was die Außenweltler Liebe nannten. Die Ta-Shimoda taten gut daran, sich gegen solche Gefühle zu wehren. Sie waren gefährlich und machten verletzlich. Bei den Asix war es anders. Sie wurden dazu getrieben, die Shiro zu lieben und sich aus einem Impuls heraus, der viel stärker war als Zuneigung, um sie zu kümmern.
In der Dunkelheit musste Suvaïdar an dem Kuhstall, von dem ihr die Alte auf dem Wagen erzählt hatte, vorbeigegangen sein, ohne es bemerkt zu haben. Also lief sie weiter die Hauptstraße entlang. Doch aus den von der Asix angekündigten zwei Stunden wurden drei.
Als Suvaïdar endlich den großen Bauernhof erreichte, war die Nacht weit fortgeschritten, und alle Lichter waren erloschen. Auf Zehenspitzen trat sie ein und wurde vom teils neugierigen, teils aggressiven Gebell eines Hirtenhundes erschreckt, der im Gemeinschaftsraum auf einer Matte lag. Sie kraulte ihn hinter den Ohren und befahl ihm, still zu sein, um nicht alle zu wecken. Dann wickelte sie sich in ihren Mantel und legte sich zum Schlafen hin. Den Kopf bettete sie auf die Flanke des Hundes, der sofort zu schnurren begann und wie ein Welpe die Krallen einzog.
*
Es war ein angenehmes Erwachen und ein schönes Frühstück in Gesellschaft der Asix. Kein kritischer Blick taxierte Suvaïdar, keine Augenbraue wurde ironisch hochgezogen, als sie mit ihren Gastgebern lachte.
»Ich muss eine Untersuchung für das Lebenshaus machen«, sagte sie. »Beeilen wir uns. Lasst uns sofort eine Blutprobe machen, dann könnt ihr in Ruhe eure Arbeit tun, während ich hierbleibe und mit dem einen oder anderen Alten plaudere, der eine Tasse Tee mit mir trinkt.«
Ohne nach weiteren Erklärungen zu fragen, stellten die Asix sich hintereinander auf und streckten Suvaïdar ihren Unterarm hin. Währenddessen diskutierten sie mit lauter Stimme darüber, wie man die Dienstpläne für den Tag ändern könne, weil manmehr Zeit mit der Ärztin verbringen wollte, die ihrem Bauernhof einen Besuch abstattete.
Auf dem Hof lebten siebzehn Erwachsene und etwa dreißig Kinder, und alles war schnell erledigt. Suvaïdar beschriftete mit Hilfe der größeren Kinder, die ihren Namen schreiben konnten, sorgfältig die blauen Holzfläschchen, die dünn und leicht, aber fest waren. Die ganz Kleinen schauten sie offenen Mundes an. Suvaïdar nahm den Ersten in ihre Arme, um ihm Blut abzunehmen. Es war ein noch ganz kleiner Junge, der noch nicht richtig sprechen konnte. Er verzog ängstlich das Gesicht, als Suvaïdar ihn hochhob. Doch als er dann auf ihrem Knie saß, fing er zufrieden zu lachen an und streckte die Arme aus, um nach ihrem Haar zu greifen.
»Was für ein hübscher Junge, gesund und stark«, sagte Suvaïdar. »Von wem ist er?«
»Das ist mein erstes Kind, Frau Doktor Adaï«, antwortete stolz eine der Frauen.
»Wie alt ist er?«
»Er wurde zu Beginn der letzten Trockenzeit geboren.«
»Die Jestak, die sich um euch kümmert, muss sehr tüchtig sein. Ich habe selten ein Kind in diesem Alter gesehen, das schon so groß war.«
»Eine Jestak hat ihn noch gar nicht gesehen, meine Dame, du bist die Erste.«
»Er ist noch nicht geimpft worden?«
»Doch, aber von dem Tierarzt, der sich um das Vieh kümmert. Das Lebenshaus hat Medikamente für Menschen geschickt und einen Kommunikator. Wenn es sich um einfache Dinge handelt, kümmert der Tierarzt sich darum, und wenn es Komplikationen gibt, kann er ein Modul nach Gaia anfordern.«
»Dann darf ich allen gratulieren, die diesen Jungen aufgezogen haben. Er
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