Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
wenn sie ihre Hand darauf legten. Daswar in diesem Jahr, nach den Orkanen zu Beginn der Regenzeit. Seitdem bin ich nicht wieder im Lebenshaus gewesen. Hätte ich gemusst? Die Shiro-Damen haben mir aber nicht gesagt, dass sie mich wiedersehen wollen.«
»Ich möchte gern, dass jemand, den ich kenne, einen Blick auf dein Bein wirft«, erwiderte Suvaïdar. »Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen, aber es gibt vielleicht eine Chance, dass es besser wird.«
Schweigend überlegte sie. Kilara war unausstehlich, doch sie war die beste Neurochirurgin auf Ta-Shima, vielleicht sogar die Beste im ganzen Universum.
»Du musst sofort ins Lebenshaus. Du wirst von mir einige Fläschchen mit Blutproben mitnehmen und sie Yoriko Sobieski übergeben – sie ist auch Ärztin. Dann wirst du nach Kilara Jestak fragen und ihr die Nachricht geben, die ich dir aufschreiben werde.«
Sie bat um Papier und einen Stift und verfasste für Kilara einen kurzen Bericht über ihre Beobachtungen; dann schrieb sie noch eine weitere Nachricht, reichte sie dem Mann und sagte:
»Zeig das dem Fahrzeuglenker des Pendelverkehrs.«
Der Mann nahm alles entgegen und lächelte.
»Rino Van Voss«, las er laut, »ist autorisiert, unentgeltlich nach Gaia und wieder zurück zu fahren. Eine Anweisung des Lebenshauses.«
Er reichte die Fahrkarte der Alten, die sie dem Rest der Familie zeigte und brummte: »Ein Brief mit seinem Namen, schwarz auf weiß, von einer Ärztin, nur für ihn. Für wen wird er sich jetzt halten! Wenn er aus dem Hospital zurückkommt, wird er uns einen Monat lang mit seinen Geschichten von den schönen Shiro-Damen, die sein schlimmes Asix-Bein berührt haben, in den Ohren liegen!«
Ein Shiro wäre aufgebraust, hätte er eine solch ironische Bemerkung über sich gehört, doch Rino lachte nur und schlug mit der Hand auf sein gesundes Bein. Dann brach die ganze Familie in schallendes Gelächter aus.
Suvaïdar erkundigte sich, ob noch jemand anders gesundheitliche Probleme habe und untersuchte diejenigen, die dies von sich behaupteten, doch ohne Ergebnis, denn es ging ihnen blendend. Sie wollten zweifellos nur, dass eine Shiro-Dame sich ein bisschen mit ihnen beschäftigte.
Suvaïdar schaute sich schnell alle anderen an; dann verbrachte sie den Rest des Tages bis spät in den Abend damit, sich mit ihren Gastgebern zu unterhalten und den großen Hund, der mit halb geschlossenen Augen vor sich hin schnurrte, hinter den Ohren zu kraulen. Sie ließ sich davon überzeugen, noch einen weiteren Tag zu bleiben, da ihre nächste Etappe wieder sehr lang sein würde.
Zwei Tage später verließ Suvaïdar das Haus bei Morgengrauen. Trotz der frühen Stunde waren alle aufgestanden, um ihr auf Wiedersehen zu sagen, und viele begleiteten sie ein Stück des Weges. Dann hielten sie an, schüttelten ihr die Hand und sagten ihr, sie solle auf dem Rückweg wieder vorbeischauen.
Auf allen anderen Bauernhöfen war es genauso. Die Asix waren glücklich, Suvaïdar zu sehen – so wie sie immer glücklich waren, eine Shiro zu sehen, vor allem eine lächelnde Shiro mit guter Laune. Es war schwer zu sagen, ob sie sich anders als gewöhnlich verhielten; das Einzige, was Suvaïdar bedeutsam erschien, war die Begeisterung der Kinder, wenn sie sie sahen. Alle lachten vor Freude, wenn die Shiro sie in den Arm nahm, um sie zu untersuchen. Und hätten die Erwachsenen es nicht unterbunden, hätten sie den ganzen Tag an Suvaïdars Rockzipfel gehangen.
Ihre Hypothese, nach der diejenigen, die isoliert lebten, viel häufiger aggressives Verhalten entwickelten, erwies sich insgesamt als unbegründet; für die Asix vom Typ 5 jedoch musste man dies konstatieren. Dagegen erwies es sich als zutreffend, dass es auf den einsamen Bauernhöfen häufiger als gewöhnlich zu Unfällen kam. Trotzdem war die Abweichung nicht sehr bedeutend. Es war unmöglich zu sagen, ob es an der Abwesenheit der Shiro lag oder an der Langeweile des täglichen Einerleis auf einem abgelegenen Bauernhof.
Die Forscherin in Suvaïdar war sich ihrer Hypothesen nicht sehr sicher und ziemlich frustriert, als sie den Weg entlangging, der zum Bauernhof der Drei-Bienen an der Hauptstraße führte.Sie schreckte auf, als sie plötzlich die Vibration ihres Kommunikators wahrnahm. Es war das erste Mal seit anderthalb Dekaden.
Maria Jestak meldete sich. Sie war so frostig wie immer; allerdings lag in ihrer Stimme ein Hauch Erregtheit.
»Ich habe die Blutproben vom Bauernhof des Clans Van Voss analysiert. Du
Weitere Kostenlose Bücher