Das Gesetz von Ta-Shima: Roman (German Edition)
hattest recht. Wir haben Anomalien entdecken können, was die hormonellen Werte betrifft. Minimal zwar, aber in sämtlichen Proben der Erwachsenen. Ich möchte, dass du mindestens zehn Tage auf einem Bauernhof bleibst. Mach eine Analyse bei deiner Ankunft und eine bei deiner Abfahrt, damit wir die Unterschiede messen können. Wo steckst du jetzt, und wann wirst du zurück sein?«
»Ich bin etwa dreißig Kilometer von Gorival entfernt«, antwortete Suvaïdar, »und ich glaube nicht, dass ein Bauernhof, der nahe bei der Stadt liegt, von Interesse sein könnte. Ich denke, ich werde hier meine Untersuchungen beenden. Aber für die Analysen, die du haben möchtest, könnte ich die Straße nach Nova Estia nehmen. Es gibt zwischen Gorival und Nova Estia vier einsame Bauernhöfe, und einer wird so gut sein wie der andere.«
»Ruh dich ein paar Tage in Gorival aus, wenn du möchtest«, schlug Maria unerwartet vor. »In dieser Zeit werde ich mir die Listen der Bewohner der vier Höfe ansehen und entscheiden, welcher Hof am besten geeignet ist.«
Das Gebirge war jetzt nicht mehr weit entfernt. Es war bereits am Horizont zu sehen. Jenseits der Vegetationsgrenze gab es nur noch felsige Berge, deren höchste Gipfel mit Eis und Schnee bedeckt waren. Seit vielen Kilometern bereits stieg die Straße unmerklich an, und die Luft war frisch und angenehm.
Zwei Tage lang war Suvaïdar mitten durch die Weinberge gelaufen. Um besser vor dem Wind geschützt zu sein, waren die Weinstöcke nur etwa zwanzig Zentimeter hoch. Sie hingen voller roter und weißer Trauben, von denen Suvaïdar im Vorübergehen welche gepflückt hatte. Die Trauben, stellte sie fest, schmeckten am besten, wenn man sie gleich nach dem Pflücken aß.
Die letzten Obstbäume trugen große runde Früchte. Ihre schöne orangene Farbe schimmerte überall durch die Blätterhindurch – ein Zeichen dafür, dass die Trockenzeit vor der Tür stand. Die lange Straße wurde von Wäldern gesäumt; ein chaotisches Gewirr aus Geäst und Blattwerk importierter Pflanzen und einheimischer Vegetation. Die Landschaft erinnerte Suvaïdar an den Dschungel; der Unterschied bestand darin, dass es hier keine giftigen Pflanzen und auch keine wilden Tiere gab. Es waren Reservate, die zweihundert Jahre vor Selena Jestak angelegt worden waren. Würde die Bevölkerung anwachsen, würden aus diesen Wäldern Felder und Weinterrassen werden, doch im Augenblick überließ man die Pflanzenwelt sich selbst, und jeder hatte das Recht, die Früchte zu ernten oder das Holz zu schlagen.
Suvaïdar begegnete drei männlichen Asix, die sich an den wilden Pflanzen zu schaffen machten, die im Unterholz wuchsen. Diese Wildpflanzen bestanden aus Fasern und einem kleinen Stamm, der sich in der Regenzeit mit Wasser füllte. Selbst für die Trockenzeit blieb noch genügend Flüssigkeit übrig, sodass die Pflanze diese Monate überleben konnte. Halbiert, getrocknet und lackiert, wurden aus den Stämmen feste, wasserdichte Gefäße gefertigt, die Nahrung und Getränke aufnehmen konnten.
Suvaïdar machte Pause, um sich bei den drei Asix ein wenig auszuruhen. Sie bot an, mit ihnen Brot und Käse zu teilen, das sie auf dem letzten Bauernhof bekommen hatte. Die Asix trugen ihren Teil zur Mahlzeit bei: Nüsse, Daïbanblätter und wilde Brombeeren. Der kleine Imbiss verwandelte sich beinahe in ein Büfett.
Es war schon tief in der Nacht, als Suvaïdar Gorival erreichte. Es war so dunkel, dass man nur noch den imposanten Schatten der Berge wahrnehmen konnte.
Suvaïdar wusste, dass der Huang-Clan und der Clan der Jestak hier beide ein Haus besaßen, und sie hatte das Recht, in dem einen wie in dem anderen zu wohnen. Sie würde sich am nächsten Morgen – wie es sich gehörte – der Alten vorstellen, die im Namen der Saz Adaï das Sagen hatte. Suvaïdar wusste, sie hatte fünf ernste Tage inmitten ihrer Cousins und Cousinen aus dem Gebirge vor sich. Aber für heute war es zu spät, um den Verwalter des Hauses zu wecken und sich ein Gästezimmer zuweisen zu lassen.
Suvaïdar fühlte sich wie ein Schulkind, das überraschend einen Tag zusätzliche Ferien bekommen hatte. Sie ging durch den Schlaftrakt in den Innenhof des Hauses, wo ihr das rauchende Licht einer Ölpflanze, raues Stimmengewirr und Lachen den Weg zu den provisorischen Hütten der Asix wiesen. Dort bat sie um gastliche Aufnahme für eine Nacht. Ihr Wunsch wurde sofort erhört.
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Wie Tarr es
ihr vor vielen Jahren bereits gesagt hatte, war Gorival ein sehr
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