Das Gesicht der Anderen
dringend mit den Dundee-Leuten sprechen, bevor ich nach Daddy sehe.” Tessa sah Sharon an. “Oder hat Olivia heute Nacht bei ihm geschlafen?”
Sharon lachte. “Nein, hat sie nicht. Ich habe sie persönlich zu ihrem Zimmer gebracht. In dieser Situation das Bett mit seiner
femme fatale
zu teilen, hätte G. W. gerade noch gefehlt. Aber eins muss man ihr lassen: Sie würde nichts tun, was G. W. schaden könnte. Schließlich möchte sie ja nicht ihre eigene Finanzquelle zum Versiegen bringen.”
“Ich schätze, wir werden den ganzen Tag hier drin hocken müssen”, seufzte Leslie Anne. “Wenn vor dem Tor die Reporter auf uns lauern und ganz Fairport sich die Mäuler über uns zerreißt, brauchen wir uns draußen erst mal nicht blicken zu lassen.”
“Ich finde, ihr beide solltet eure Sachen packen und erst mal mit mir ein paar Tage an einen schönen, exotischen Ort fliehen. Wie wär's mit unserem Haus auf St. Thomas?” Sharon schob Leslie Anne einen Zimt-Toast hinüber, nachdem sie die Serviette über dem Teller entfernt hatte.
“Keine schlechte Idee.” Leslie Anne wandte sich ihrer Mutter zu. “Was meinst du, Mama? Sollen wir diesmal alle zusammen weglaufen und uns verstecken?”
“Mal sehen”, gab Tessa zur Antwort. “Jetzt warten wir erst mal ab, wer dieses ganze Chaos verursacht hat. Und wenn das klar ist, halte ich einen Familienurlaub für durchaus angemessen.”
“Und in der Zwischenzeit unternehmen wir beide etwas”, schlug Sharon Leslie Anne vor. “Wir könnten heute Morgen vielleicht ausreiten oder einfach einen langen Spaziergang machen.”
“Wäre das in Ordnung?”, fragte Leslie Anne ihre Mutter.
“Ja, natürlich. Aber bitte bleib bei Tante Sharon, und geh nicht allein irgendwo hin.”
Dante klopfte an G. W.s Tür. Als keine Antwort kam, drückte er die Klinke herunter und betrat das Wohnzimmer des kleinen Apartments. Aus dem anderen Raum hörte er ein Rumoren. Dante wartete und ermahnte sich, ruhig zu bleiben.
Zügel dein Temperament. Verlier nicht die Geduld mit dem alten Mann, und konfrontier ihn nicht zu direkt mit deinen Vorwürfen.
Er wird nicht einfach leichten Herzens zugeben, was er getan hat. Er hat eine Menge in Tessa – ehemals Amy – und ihre Tochter investiert, sie sind jetzt seine Familie. Er wird um sie kämpfen. G. W. hatte nicht einfach seine Enkelin über ihren biologischen Vater belogen – er hatte sich viel mehr zuschulden kommen lassen.
“Was soll das?” G. W. stampfte wütend ins Wohnzimmer und zog sich dabei seinen Morgenmantel über. Als er Dante sah, hielt er inne. “Stimmt etwas nicht? Ist irgendwas passiert?”
Dante hielt beruhigend die Hand nach oben und machte einen Schritt auf G. W. zu. “Tessa und Leslie Anne geht es gut. Sie schlafen noch.”
G. W. stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. “Gut. Dann erklären Sie mir bitte, warum Sie um sieben Uhr morgens meine Tür einzuschlagen versuchen. Wenn es nicht dringend ist, hätten Sie durchaus bis später warten können.”
“Es ist dringend”, sagte Dante kurz.
“Sie haben die Person gefunden, die …”
“Nein, noch nicht.”
“Was dann?”
“Vielleicht nehmen Sie erst einmal Platz, Mr. Westbrook.”
G. W. sah ihn misstrauisch an. “Das bedeutet, es gibt schlechte Nachrichten.”
“Für Sie ja.”
G. W. setzte sich auf die Couch und sah Dante gespannt an. “Dann schießen Sie mal los.”
“Als ich mit Tessa in Rayville war, haben wir eine sehr interessante Begegnung mit einer alten Dame gehabt, die vor siebzehn Jahren im Beerdigungsinstitut Maitland beschäftigt war.” Der angespannte Ausdruck auf G. W.s Miene verriet, dass ihm der Name des Bestattungsinstituts nicht unbekannt war.
“Und? Was haben die alte Dame und ein Beerdigungsinstitut mit mir und meiner Familie und der momentanen Situation zu tun?”
“Sie sind damals für die Einäscherung und Beerdigung einer jungen blonden Frau aufgekommen. Der Leichenbeschauer des Countys, Aaron Maitland, hat sich in seiner Eigenschaft als Besitzer des Bestattungsunternehmens der Sache angenommen. Wie viel haben Sie ihm dafür bezahlt, G. W., dass er niemandem davon erzählt hat, dass innerhalb einer Woche zwei von Eddie Jay Nealys Opfern in Richland Parish gefunden worden waren?”
G. W. saß regungslos da, mit düsterer Miene und niedergeschlagenem Blick. “Da war ein anderes Mädchen, auch ein Opfer von Nealy. Es war gestorben. Tessas Beschreibung passte auf sie, also wurde ich vom Sheriff einbestellt, um sie zu
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